Arbeiten 4.0: Eine Frage der Perspektive!

New Work und Arbeiten 4.0 – die Begriffe elektrisieren das Personalmanagement, die Unternehmensführung, die Mitarbeiter, ja sogar die Politik. Kaum ein Kongress, kaum ein Meetup kamen ohne einen dieser Begriffe aus. New Work ist, geht es um die Zukunft unserer Arbeitswelt, das Ziel- und Wunschbild vieler.

Dass es häufig genug ein Zerrbild ist, liegt nicht zuletzt an der Unschärfe der Begriffe, die zumeist – so auch an dieser Stelle – synonym verwendet werden. Flexibel, agil und digital sind Stichworte, die fallen, versucht man das Thema zu umschreiben. Ob das mehr Schärfe und Klarheit in die Diskussion bringt, ist fraglich.

VERÄNDERUNGEN AUF DREI EBENEN

Im Kern geht es wohl um Veränderungen auf drei Ebenen: wo und wann wir arbeiten; mit wem und wie wir zusammenarbeiten; wie und womit wir arbeiten. Zugegeben, sehr vereinfacht und sicherlich nicht allumfassend, aber dennoch hilfreich, um sich dem Begriff in seiner Bedeutung anzunähern.

Auf allen drei Ebenen erleben wir Veränderungen. Zeit- und ortsflexibles Arbeiten sind in vielen Bereichen – nicht in allen – technisch machbar. Die moderne IT-Infrastruktur, sofern vorhanden, lässt es prinzipiell zu. Bremsschuhe sind an anderer Stelle zu suchen und zu finden, beispielsweise bei der Unternehmenskultur oder den Führungskräften.

Auch in der Frage, mit wem wir arbeiten, erleben wir Veränderungen. Teams werden interdisziplinärer, Bereichsgrenzen weichen auf. Zukünftig verschwimmen wohl auch die Trennlinien, wer zur eigenen Organisation gehört und wer nur temporär andockt.

Am interessantesten zu beobachten, wenn man denn werten will, sind die sich abzeichnenden Veränderungen bei der Frage, wie und womit wir in Zukunft arbeiten werden. Agile Projektmanagementmethoden und Innovationsprozesse, IT-gestützte Collaboration-Instrumente und Netzwerkorganisation finden Einzug in die Arbeitswelt. All diese Entwicklungen prägen die Arbeitswelt von morgen – je nach Kontext mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

 

Das Thema aus drei Perspektiven

Wie werden die sich abzeichnenden Veränderungen heute schon gelebt? Wer treibt, wer profitiert und wer bremst? Der Blick auf das Thema Arbeiten 4.0 aus drei zum Teil sehr unterschiedlichen Perspektiven:

 

Aus Sicht der Unternehmen

Die Stimmen der Kritiker sind laut: Die meisten Unternehmen haben die Zeichen der Zeit (noch) nicht verstanden, hängen beim Thema „Neue Arbeitswelten“ hinterher. Nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig. Wer genau hinschaut, erkennt durchaus zarte Pflänzchen, auch außerhalb der vielbeschworenen Welt der Start-ups.

Zwei Entwicklungen sind bei den etablierten Unternehmen zu beobachten: Auf der einen Seite drücken Graswurzelbewegungen von unten auf die tradierten Strukturen und versuchen aufzubrechen, was es aufzubrechen gilt. Sie vernetzen sich auch über Unternehmensgrenzen hinweg, probieren aus und fordern ein. Sie zeigen am eigenen Handeln, wie die moderne Arbeitswelt funktionieren und aussehen kann, indem sie machen.

Die andere Bewegung kommt von oben – aus der Geschäftsführung, den Vorständen. Sie erkennen die Bedeutung und strategische Relevanz für die Innovationsfähigkeit des eigenen Geschäfts und für die Attraktivität als Arbeitgeber. Sie lassen Bürogebäude umbauen, führen Social-Collaboration-Plattformen ein, nutzen Twitter und LinkedIn und verhandeln mit ihren Betriebsräten Vereinbarungen zur mobilen Arbeit. Kein großer Wurf, mögen manche spotten, aber dennoch ein Anfang bei vielen.

Ohne Frage ist das Spektrum breit, das sich beim Blick auf das Thema Arbeiten 4.0 in der deutschen Unternehmenslandschaft dem interessierten Beobachter bietet. Unabhängig von Branche, Größe und Eigentümerstruktur, es kommt auf die Köpfe an, die es treiben – oder auch nicht.

 

Aus Sicht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Und die Mitarbeiter? Wollen die denn anders arbeiten? Das Dilemma beginnt damit, dass es DEN Arbeitnehmer nicht gibt. Der Struktur suchende Typ steht neben dem freiheitsliebenden, der aufgeschlossene neben dem abwartenden. Der Riss, sofern man überhaupt von einem solchen sprechen will, geht quer durch die Belegschaft. Alter, Ausbildung und Funktion taugen bei dem Versuch der Kategorisierung häufig nichts. Der Mensch ist, wie er ist – individuell.

Während die schöne, neue Arbeitswelt die einen reizt, bereiten den anderen zu wenig Struktur und zu viel Freiheit Sorgen. Führungskräften wie HR kommt die Aufgabe zu, Lösungen, oder besser, einen Rahmen zu entwickeln, der beide Welten klug miteinander vereint. Keine leichte Aufgabe!

Ein Teil der Lösung steckt im Prinzip in der kleinsten Einheit, im Team. Hier müssen Aushandlungsprozesse geschehen, hier müssen Absprachen getroffen und Vereinbarungen gehalten werden. Eine enorme Führungsaufgabe, wohl aber alternativlos. Mitarbeiter auf der Ebene „Losgröße 1“ zu betrachten, ist die richtige Vision, aber ein kühnes Ziel und wahrscheinlich fern der Unternehmensrealität der meisten. Ganz nach dem Prinzip der Subsidiarität: Gib die Freiheit den Teams!

Eine große Herausforderung steckt noch an anderer Stelle: New Work ist häufig genug eine Diskussion der „white collar worker“, also der Menschen, die an ihren Schreibtischen sitzen. Außen vor bleiben zumeist die Produktions- oder die produktionsnahen Bereiche. Wer über Flexibilisierung, Autonomie und Agilität nachdenkt, darf diese Gruppen nicht vergessen. Sicherlich lassen sich die Konzepte nicht eins zu eins auf den „shop floor“ übertragen, interessante Ansätze und Instrumente gibt es aber auch hier, wenn es beispielsweise um die Flexibilisierung von Arbeitszeiten oder die Einbindung bei Personalauswahlprozessen geht. New Work darf nicht vor der Werkshalle Schluss machen!

 

Aus Sicht der Politik

Und die Politik? Treibt sie das Thema Arbeiten 4.0? Setzt sie den Rahmen, der notwendig ist? Sie sucht eher noch die Antworten auf eine sich verändernde Arbeitswelt.

In der vergangenen Legislaturperiode hatte die damalige Arbeitsministerin Andrea Nahles mit ihrem Dialogprozess Arbeiten 4.0 für Aufsehen gesorgt. Der Prozess der Einbindung möglichst vieler Anspruchsgruppen – neudeutsch Stakeholder – war in der Form für ein Bundesministerium bis dato einmalig. Am Ende stand ein Weißbuch, das Antworten auf die Herausforderungen von heute und morgen geben sollte. Das Ergebnis war für viele ernüchternd: zu wenig neue Welt, zu viel altes Denken, so der nicht ganz unberechtigte Vorwurf. Aber immerhin, ein Anfang war gemacht.

EXPERIMENTIERKLAUSELN

Beim Blick in den aktuellen Koalitionsvertrag finden sich einzelne Elemente wieder, die eine Flexibilisierung zulassen: Das Arbeitszeitgesetz soll, allerdings nur für tarifgebundene Unternehmen, über Experimentierklauseln gelockert werden. Arbeitnehmer bekommen kein Recht auf mobiles Arbeiten, der Arbeitgeber muss in Zukunft jedoch seine Gründe bei Ablehnung offenlegen. Das Rückkehrrecht in Vollzeit denkt zwar Flexibilität, aber vor allem in eine Richtung.

Der richtig große Wurf ist den Parteien nicht gelungen. Vielleicht aber ist dies auch zu viel verlangt. Politik ist ein zähes Geschäft voller Aushandlungsprozesse und Kompromisse. Politische Willensbildung ist nicht agil, sie ist in unserem Land im Wesentlichen konsensual.

 

Auf die Perspektive kommt es an

Drei Perspektiven, jeder Akteur blickt anders auf das Thema Arbeiten 4.0. Die Unternehmen erhoffen sich innovativere und schnelle Prozesse und eine höhere Attraktivität. Mitarbeiter, wenn auch nicht alle, wünschen sich mehr Freiheit. Die Politik sucht nach einem passenden Rahmen im Spannungsfeld zwischen Flexibilität und Schutz.

Nicht alle Seiten können und wollen mit gleicher Geschwindigkeit und Intensität in eine neue Arbeitswelt voranschreiten, nicht alle verspüren denselben Druck. Doch eines haben alle gemeinsam: Sie müssen sich auf den Weg machen und ausprobieren, sonst verlieren sie den Anschluss.

 

Der DGFP // Impuls steht hier zum Download bereit.

Katharina Heuer, Vorsitzende der Geschäftsführung der DGFP e.V.,

069 / 713785-100, heuer@dgfp.de

 

Christian Lorenz, Leiter Hauptstadtbüro der DGFP e.V.,

030 / 2091699-41, c.lorenz@dgfp.de

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