DGFP // Kommentar: Mehr Flexibilität wagen! Andrea Nahles‘ Vorstoß zur Anpassung des Arbeitszeitgesetzes

Ein DGFP // Kommentar zum Vorschlag der Bundesarbeitsministerin für eine Öffnungsklausel im Arbeitszeitgesetz

Andrea Nahles zeigt sich experimentierfreudig: In ihrem Interview mit der FAZ Mitte November 2016 kündigte sie an, das von vielen mit Blick auf Ruhezeiten oder Arbeitshöchstdauer als zu unflexibel kritisierte Arbeitszeitgesetz anzupassen. Wer jetzt eine umfassende Gesetzesänderung erwartet, wird vermutlich enttäuscht. Die Ministerin wolle in "Experimentierräumen ausprobieren, ob mehr Flexibilität und Schutz vor Überlastung zusammengehen". Geplant ist, mit einer repräsentativen Auswahl von Unternehmen zu testen, wie das Arbeitszeitgesetz angepasst werden kann. Das Ganze soll über eine sogenannte Öffnungsklausel bzw. Experimentierklausel im Gesetz ermöglicht werden. Einigen sich die Tarifpartner in einem Unternehmen, können sie von den bestehenden Bestimmungen abweichen. Die Bedingungen sind jedoch klar: auf maximal zwei Jahre befristet, wissenschaftlich begleitet und in einem Tarifvertrag ausgehandelt. Wer genau teilnehmen kann und wie weitgehend die bestehenden Regeln aufgeweicht werden können, ist bislang nicht bekannt.

Ernstgemeinter Versuch oder Feigenblatt?

Ist das Experiment nun ein Feigenblatt oder ein ernst gemeinter Versuch, das Streitthema Arbeitszeitgesetz tatsächlich anzugehen? Zunächst einmal gewinnt die Ministerin mit dem Vorstoß Zeit. Ihren Kritikern kann sie ab sofort entgegenhalten, dass sie in der Frage aktiv geworden ist. Gut Ding will eben Weile haben und die Auswirkungen müssten gründlich evaluiert werden. Dagegen lassen sich schwerlich Einwände erheben – vielleicht nur, dass man sich dieses vorsichtige Vortasten auch an anderer Stelle gewünscht hätte. Experimentierräume erlauben Nahles im Kleinen auszuprobieren und nachzujustieren, was später im Großen ausgerollt wird. Als DGFP begrüßen wir dies und bieten unsere Unterstützung an - wenn es ein ernst gemeintes Experiment ist und nicht für die Abmoderation des Themas genutzt wird.

Fixierung auf Tarifgebundenheit geht an der Realität vorbei

Kritisch jedoch ist der Ansatz zu bewerten, dass lediglich tarifgebundene Unternehmen und ihre Mitarbeiter von der Regelung profitieren können. Das entspricht im Wesentlichen der bisherigen Linie des Bundesarbeitsministeriums, geht jedoch an der Realität vieler Arbeitnehmer und Führungskräfte vorbei. Nicht einmal mehr die Hälfte der Unternehmen ist tarifgebunden. Rausfallen werden vor allem die, die vorwiegend projektorientiert arbeiten und mit dem Arbeitszeitgesetz permanent "kollidieren", beispielsweise die Kreativwirtschaft. Hier hätten wir uns von der Ministerin ein bisschen mehr Pragmatismus und Realismus gewünscht.

Wer den großen Wurf erwartet hat, wird von Andrea Nahles an dieser Stelle also enttäuscht. Der Vorstoß der Ministerin, Bewegung in die Debatte über das Arbeitszeitgesetzes zu bringen, ist dennoch richtig und das Experiment aus unserer Sicht unterstützenswert.

Von Christian Lorenz, Leiter Hauptstadtbüro, und Katharina Heuer, Vorsitzende der Geschäftsführung, Deutsche Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP)

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