Interview zur Annual Global Mobility Conference 2022

Abb.: Daniel Zinner, HR-Berater bei der Münchener CLEVIS Consult

Daniel Zinner über Global Mobility Trends und pandemiebedingte Veränderungen

Daniel Zinner ist HR-Berater bei der Münchener CLEVIS Consult und als Global Mobility Experte für die DGFP als Repräsentant im Erfahrungsaustausch tätig. Mit uns spricht er über unsere Annual Global Mobility Conference 2022, die er als Moderator begleitete. 

Lieber Daniel, das ist jetzt bereits die vierte Global Mobility-Veranstaltung der DGFP, dabei hat sich seit der Pandemie gerade in diesem Bereich einiges verändert. Worin bestehen für dich die größten Veränderungen?
Daniel Zinner Tatsächlich hat Global Mobility eine 180-Grad-Wende hingelegt: Früher war Global Mobility stark von den Unternehmensanforderungen bestimmt: Bei Bedarf haben sie ihre Mitarbeitenden an Standorte ins Ausland entsendet. Aufgrund örtlicher Gegebenheiten, der familiären Situation und des notwendigen Umzugs mussten Unternehmen kreativ sein, um Mitarbeitenden eine Entsendung schmackhaft zu machen. Daher gingen diese Entsendungen in der Regel mit einem hohen finanziellen Invest einher. Durch das digitale Arbeiten während der Pandemie hat sich das nun umgedreht: Es sind nicht unbedingt nur mehr die Unternehmen, die auf die Mitarbeitenden zugehen, inzwischen sind es die Mitarbeitenden, die an ihre Unternehmen herantreten und fordern, dass sie remote aus dem Ausland arbeiten wollen. Dabei handelt es sich nicht mehr um vereinzelte Mitarbeitende – im Extremfall betrifft es die gesamte Belegschaft.

Damit gibst du mir schon das richtige Stichwort: Was sind denn aktuelle Trends?
Zinner Ich würde drei Trends in den Blickpunkt stellen:

  1.  An erster Stelle steht ganz klar: International Remote Work. Unternehmen müssen hier neue Weg finden, wie sie den administrativen Aufwand und regulatorische Risiken minimieren, die Selbstverwaltung der Mitarbeitenden erhöhen und digitale Lösungen einführen können. Dabei stehen sie unter Druck: Denn Startups und auch etabliertere Unternehmen fahren mit immer größeren Programmen den Standard sukzessive hoch. Flexibilität beim Arbeiten wird so zu einem der zentralen Attraktivitätsfaktoren zur Gewinnung und Bindung von Mitarbeitenden. Gerade die junge Generation ist stark selbstgetrieben und will ins Ausland – die selfinitiated-assignments werden deswegen zukünftig eine noch viel größere Rolle spielen.
     
  2. Der zweite Trend knüpft hieran an: Unternehmen und ihre Mitarbeitenden brauchen ein neues Mindset. Sie müssen schnell in einen Erneuerungsprozess einsteigen, d.h.: wir erleben zurzeit nicht nur eine digitale Transformation – auch das Mindset der Unternehmen transformiert sich, weil sie begreifen, dass sie im Umfeld von Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel neue Anreize setzen müssen. Zu den zentralen Herausforderungen, die es hier zu meistern gilt, gehören die Öffnung für kulturelle Vielfalt sowie die Integration und Inklusion von Mitarbeitendengruppen.
     
  3. Schließlich noch ein Thema, das für Global Mobility extrem wichtig ist: Der Fachkräftemangel. Hier kann Global Mobility natürlich positiv entgegenwirken, insofern auch die Unternehmenskultur mitzieht. So können Fachkräfte, die aus dem Ausland zu uns nach Deutschland geholt werden, entscheidend dazu beitragen, Skill Gaps zu schließen. Aber nochmal: Das geht natürlich nur, wenn in Unternehmen auch eine Kultur der globalen Zusammenarbeit gepflegt wird. 

Mal etwas anders gefragt: Könnte das Thema der Global Mobility angesichts politischer Hintergründe wie dem Ukrainekrieg gegenteilig nicht sogar an Relevanz verlieren? Wird die Globalisierung nicht gar zurückgehen?
Zinner Eine gute Frage, auf die ich zwei Antworten geben möchte (lacht): Es ist zum einen menschlich in Zeiten der Krisen an Deglobalisierung, Dekapitalisierung etc. zu denken, doch im Endeffekt ist das nicht zu befürchten. Tatsächlich sind solche Krisen sogar treibende Faktoren für Global Mobility, wofür die Ukraine-Krise geradezu exemplarisch ist: Auf der einen Seite sehen wir nämlich Flüchtlingsströme aus der Ukraine, auf der anderen Seite führt die Mobilmachung in Russland dazu, dass auch immer mehr Russen ihr Land verlassen wollen. Zum anderen sehen wir etwa in den USA, dass es mehr und mehr zum normalen alltäglichen Leben gehört, regelmäßig den Wohnort zu wechseln. Diese Bewegung wird sich auch noch stärker bei uns durchsetzen und Global Mobility bzw. globale Mobilität weiter befeuern. Begrifflich gebe ich dir aber gerne Recht: Man könnte argumentieren, dass Global Mobility „outdated“ ist. Da Global Mobility mehr und mehr vom Standpunkt der Mitarbeitenden aus denken muss und nicht mehr unternehmensseitig ansetzt, spreche ich lieber von People Mobility. Wir sehen Millionen von Menschen weltweit in Bewegung – dazu gehören unternehmensgesteuerte Entsendungen von Fach- und Arbeitskräften, Studierende, Rentner:innen, Migranten oder sogenannte digitale Nomaden. Es werden neue Lösungsansätze gebraucht, um diese Bewegungen zu steuern, zu administrieren und am Ende den globalen Zusammenhalt der Gesellschaften zu gewährleisten, damit individuelle Zufriedenheit entsteht.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Dr. Elias Güthlein.

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