Human Capital Management: Spotlight auf ‚S‘ in ESG

Der DIRK Deutsche Investor Relations Verband lädt ein. Dieses Mal im Fokus: Nachhaltigkeit und ESG im Spiegel von Investorenerwartungen und Unternehmensrealitäten.

Ralf Steuer (DGFP) und Petra Knab-Hägele (hkp/// group) bekamen dabei die Gelegenheit, in einem gemeinsamen Vortrag die Vieldimensionalität des ‚S‘ in ESG, d.h. die sozialen und Mitarbeiter-bezogenen Aspekte, näher zu beleuchten. Ihre wichtigsten Kernbotschaften und die mit dem Thema verbundenen Chancen an der Schnittstelle zu Investor Relations haben wir hier nochmal zusammengefasst.

Das Themenfeld ‚Soziales‘ ist im Zusammenhang der Debatte um Nachhaltigkeit und ESG noch verhältnismäßig unscharf definiert. Die Komplexität und das Potenzial des Themas sind vielen Beteiligten noch nicht bewusst. Das liegt zum einen an dem Kontrast zu den anderen Themenbereichen, Environment und Governance, die in den letzten Jahren sehr genau reguliert und in puncto Zielstellung und Dokumentation mittlerweile konturscharf formuliert wurden. Zum anderen liegt es daran, dass HR oft nicht genug Gehör bekommt, wenn es um die Ausrichtung der Unternehmensstrategie geht. Dies muss sich ändern – da sind die DGFP als größter HR-Verband in Deutschland sowie als hkp///group als erfahrenste Unternehmensberatung für Themen an der Schnittstelle von Corporate Governance und strategischem HR-Management einer Meinung.

Human Capital Management im Spannungsfeld von Investoren und Regulatorik

Bei genauerer Betrachtung der Kriterien für die Social-Komponente in ESG wird deutlich, dass es sich um Themen mit klarem Bezug zum Personalmanagement handelt, die auf die Umsetzungsstärke von HR angewiesen sind. Die Transformation der Arbeitswelt, eine Umsetzung gendergerechter Vergütung oder auch die Einhaltung des Lieferkettensorgfaltsgesetzes ist ohne HR nicht möglich. Auch werden gerade aufgrund ihrer Unschärfe die sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit zum entscheidenden Qualitäts- und Differenzierungsfaktor im Wettbewerb.

Dabei steigt der Druck, weil Gesellschaft, Mitarbeitende und Politik gleichermaßen Standards in diesen Themenbereichen einfordern. Aktuell sehen sich Unternehmen hier immer umfassenderen und strikteren Anforderungen gegenüber. So sind Investoren davon überzeugt, dass die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Unternehmensführung langfristig zu einer stabileren und höheren Rentabilität führt und Risiken minimiert.

Wenngleich ihre entsprechenden Forderungen in den letzten beiden Jahren umfassender und konkreter geworden sind, zeichnen sie sich durch eine starke Heterogenität und vielfach auch Unschärfe aus. Die Hoffnung auf einen tragfähigen Standardkatalog an Investorenforderungen in puncto ESG werden sicher enttäuscht, zu unterschiedlich sind die Investorengruppen. Beispielsweise sehen wir aktuell eine vor allem in den USA aktiver werdende Fraktion an Kapitalgebern, die eine aus ihrer Sicht zu starke Gewichtung von Nachhaltigkeit bzw. ESG in der Kapitalanlage ablehnen und/oder der aktuellen Entwicklung vom Shareholder- zum Stakeholder-Kapitalismus mit unverhohlener Skepsis begegnen. Investoren mit Hauptsitz in Europa und Deutschland vertreten dagegen eine konträre Haltung.

Parallel zu den Investorenerwartungen an die Umsetzung von Nachhaltigkeit sehen sich Unternehmen mit themenspezifischen Forderungen von weltweiten bzw. regionalen Regulatoren und ihren nationalen Gesetzgebern konfrontiert. So hat die EU eine Reihe von Standards veröffentlicht, die in den kommenden Jahren zu implementieren sind, zum Teil verpflichtend, zum Teil optional. Unternehmen geben diese Vorschriften in erster Linie Rechtssicherheit und schaffen gleiche Wettbewerbsbedingen. Allerdings stellen sie auch eine erhebliche Herausforderung dar – im übergeordneten wie detaillierten Verständnis, in der Implementierung wie auch im Reporting.

Zu den jüngsten, für das Human Capital Management als Bestandteil des S-Bereichs in ESG relevanten regulatorischen Vorgaben zählt die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die zum Januar 2023 in Kraft getreten ist. Sie bewirkt tiefgreifende formelle und inhaltliche Veränderungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung und geht einher mit einer signifikanten Ausweitung des Kreises der berichtspflichtigen Unternehmen.

Konkretisiert werden die CSRD durch die European Sustainability Reporting Standards (ESRS), auf deren Basis Unternehmen ab Januar 2024 berichten müssen. Diese Standards erfassen alle Offenlegungsanforderungen, Kennzahlen (KPI’s) und sonstige Anforderungen, wobei sie inhaltlich mit den GRI-Standards der Global Reporting Organization – einem modularen System miteinander verbundener Standards für die öffentliche Berichterstattung zu ökonomischen, ökologischen und sozialen Auswirkungen – abgeglichen wurden. Die ESRS umfassen in Standardklassen (S1 bis S17) kategorisierte obligatorische und optionale Inhalte, die zudem nach qualitativer und quantitativer Natur unterschieden werden.

Die qualitativen Anforderungen des ESRS S1-Standards („Own Workforce“) fokussieren dabei die Berichterstattung über das Management von Mitarbeiter-spezifischen Auswirkungen, Risiken und Chancen. Zudem sind Informationen über Richtlinieneinhaltungen, Erläuterungen zu Datenerhebungsprozessen als auch zu Vorgehensweisen der Prozessimplementierung gefragt. Die quantitativen Anforderungen hingegen umfassen Kennzahlen und Angaben, zum Beispiel zur geschlechterspezifischen Aufstellung des Top-Managements, zur Zusammensetzung der Belegschaft nach Altersgruppen oder zur Anzahl von Personen mit Behinderungen.

ESRS-Inhalte sind von Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden zu berichten. Sollte ein Unternehmen nicht in der Lage sein, gewisse Kennzahlen– zum Beispiel für kleinere internationaler Standorte – offenzulegen, fordert der Gesetzgeber eine Schätzung samt Darlegung des Schätzungsprozesses. So soll sichergestellt werden, dass sich Unternehmen trotz mangelhafter Datenlage mit derartigen Kennzahlen auseinandersetzen.

Die interne Perspektive des S in ESG

Die Erwartungen von Investoren und Vorgaben von Regulatoren und Gesetzgebern machen deutlich, dass es neben der externen Perspektive auf Nachhaltigkeit, die die Beziehung von Unternehmen und Gesellschaft fokussiert, eine sehr gewichtige interne Perspektive gibt. Speziell in letztgenannter wird die Rolle von HR wichtiger, weil sie zum Faktor der Risikominimierung und Wertschöpfung wird und für die Personalfunktion selbst den größeren Gestaltungsspielraum eröffnet.

Einer dieser Gestaltungsspielräume ist der Aufbau einer entsprechenden HR-IT-Landschaft als Grundlage für eine funktionierende HR-Analytic, die es ermöglicht, auf die relevanten Mitarbeiter-spezifischen Daten in der geforderten Qualität und Quantität zugreifen zu können. Die wenigsten Organisationen verfügen aktuell hier über vergleichbare Technologien, Prozesse und Architekturen wie sie im Finanzwesen zumindest bei börsennotierten Unternehmen Standard sind. Von einer solchen Daten-Verfügbarkeit würde neben der strategischen Unternehmensplanung auch Investor Relations profitieren.

Allerdings zeigt sich auch, dass sich trotz aller konkreten Erwartungen und Forderungen externer Stakeholder nicht alle Prozesse und Erträge von HR in Zahlen ausdrücken lassen. So können zwar Quoten in den einzelnen Bereichen als Indikatoren und Symptome einer gesunden Personalpolitik interpretiert werden, doch sind vermeintlich harte Kennziffern deutlich schwieriger zu ermitteln. Gerade das macht diesen Themenkomplex aber auch so spannend. Es eröffnen sich neue Handlungsfelder und Gestaltungspotenzial.

In diesem Zusammenhang wird das Storytelling als Teil der Unternehmenskultur stärker gefragt, um die Kommunikation nach außen zu verbessern. Das gilt besonders im Hinblick auf Investoren: Angesichts des Fach- und Arbeitskräftemangels muss HR zum Beispiel glaubhaft vermitteln können, dass das eigene Unternehmen nachhaltig agiert. Diese Art der Kommunikation in Richtung der Finanzmärkte ist noch sehr ungewohnt (weil neu) – für HR. Und gerade deswegen ist das Zusammenspiel von allen Playern des Unternehmens an dieser Stelle so wichtig: HR muss von Anfang an in die weichenstellenden Prozesse der Unternehmensstrategie eingebunden werden.

In dieser Hinsicht lassen sich zahlreiche Initiativen nennen, in denen HR sogar im Lead steht: Seien es unternehmensübergreifende wie die Charter der Vielfalt oder die Allianz der Chancen; seien es unternehmensspezifische wie die Equal Pay Initiative von Siemens oder der Allianz oder auch das pro bono Cosulting-Programm von SAP – um nur einige zu nennen.

Derartige unternehmensprägende Initiativen zeigen: In der Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit und ESG reicht die bloße Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts längst nicht mehr aus. Stakeholder möchten wissen, wie sich die Ausgangslage in puncto Nachhaltigkeit und ESG gestaltet und welche konkreten Maßnahmen zu deren Verbesserung geplant sind. Der HR-Bereich steht dabei vor der Herausforderung, die relevanten Prozesse neu zu denken und im Sinne einer langfristig stabilen Entwicklung die unternehmensspezifischen S-Kriterien in den Employee Life Cycle zu integrieren – von der Gewinnung über die Bindung und Motivation von Mitarbeitenden, von deren Vergütung über das Nachfolge- und Talent Management bis hin zu Kompetenzmodellen. Gerade hier zeigen sich Werttreiber für den Unternehmenserfolg, die nicht standardisiert, sondern strategiespezifisch sind. Hier kann die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfaktoren einen Unterschied machen, indem klar gezeigt wird, wie das Human Capital wertschaffend im Rahmen der Unternehmensstrategie eingesetzt und entwickelt wird.

IR und HR in gemeinsamer Verantwortung

In der Umsetzung von Nachhaltigkeit und ESG kann HR nur erfolgreich sein, wenn es kompetent die Schnittstellen zu anderen relevanten Unternehmensfunktionen bespielt. Dazu zählt neben Finanzen und der strategischen Unternehmensplanung nicht zuletzt auch Investor Relations. IR muss dabei die neuen Forderungen und Erwartungen von Investoren bzw. Regulatoren und Gesetzgebern kennen und verstehen – oder im Idealfall sogar weiterführend im Unternehmen für die nachhaltigkeitsspezifischen Aspekte des Human Capital Managements sensibilisieren.

Zusammen mit der Personalabteilung kann IR das HCM-Reporting neu aufstellen, der Hoheit der Juristen und Wirtschaftsprüfer entreißen, integrieren und so gestalten, dass die entsprechenden Darstellungen nicht nur regelkonform, sondern auch lesenswert sind – für Investoren, aber auch sonstige Stakeholder, nicht zuletzt die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In den letzten Jahren hat sich diesbezüglich sehr viel getan und die Bereitschaft, voneinander zu lernen, nimmt stetig zu.

Mit Blick auf die externe Wirkung braucht HR die Kompetenz der IR-Expertinnen und -Experten in einer Vermittlungs- und Übersetzungsrolle gegenüber Investoren. HR war bislang nicht Bestandteil der Kapitalmarktkommunikation, rückt aber mit den verstärkten Investorenforderungen hier als weiterer Player in das entsprechende Unternehmensteam auf. Beide Seiten sollten und müssen hier konstruktiv zusammenwirken, nicht zuletzt auch in der Vorbereitung von betreffenden Gesprächen des Aufsichtsrats mit institutionellen Investoren.

Vor diesem Hintergrund sei an alle Beteiligten der Appell gerichtet: Die Tür von HR steht weit offen für den Dialog mit IR wie auch anderen Unternehmensfunktionen; die Umsetzung von Nachhaltigkeitsforderungen im Rahmen eines neuen Human Capital Management bietet dabei für alle neue Potenziale.

Ansprechpartner

Dr. Elias Güthlein

Media Relations

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