Warum Mitarbeitende (nicht) kündigen

Kündigungen kosten Organisationen viel Geld, und neue Fachkräfte zu finden wird zunehmend schwierig. Für Personalverantwortliche ist es deswegen wichtig zu verstehen, aus welchen Gründen Mitarbeitende kündigen. Eine Metaanalyse der Wissenschaftler*innen Rubenstein, Eberly, Lee und Mitchell – veröffentlicht in der Fachzeitschrift Personnel Psychology – gibt Aufschluss über eine Reihe von Kündigungsgründen.

Das Problem

Die Kosten, die durch Kündigungen entstehen, werden auf 90 bis 200 Prozent des jährlichen Gehalts der kündigenden Person geschätzt (Allen 2008). Zu den Ausgaben für die Neubesetzung der Stelle kommen unter anderem Kosten für die Einarbeitung, für mögliche Qualitätseinbußen oder sogar Ansteckungseffekte (Allen et al. 2010). Aber aus welchen Gründen kündigen Mitarbeitende freiwillig? Liegt es am Gehalt, wie oft behauptet wird, oder stimmt eher das Bonmot „People quit bosses, not jobs“?

Die Wissenschaft

Die Metaanalyse der amerikanischen Forschungsgruppe rund um den Management-Professor Alex Rubenstein (2017) hat 57 Gründe untersucht, die mit freiwilligen Kündigungen von Mitarbeitenden zusammenhängen. Die folgenden Gründe erzielten die höchsten Zusammenhänge:

  • Fehlende Entwicklungsmöglichkeiten: Wer den Eindruck hat, die Organisation bietet, abgesehen von der Bezahlung, wenig bis keine Weiterbildungsmöglichkeiten oder Benefits, kündigt eher.
  • Kein konstruktiver Führungsstil: Wer sich von seiner Führungskraft nicht konstruktiv geführt fühlt, ist wesentlich schneller gewillt, das Unternehmen zu verlassen (in der Metaanalyse wurden verschiedene positive Führungsstile wie die transformationale Führung zusammengefasst). An dem Spruch „People quit bosses, not jobs“ ist also durchaus etwas dran.
  • Kein positives Organisationsklima: Wer in einer wenig wertschätzenden Atmosphäre arbeitet, lässt sich eher auf einen Jobwechsel ein.
  • Kein motivierendes Job Design: Wer seinen Job nicht als motivierend gestaltet erlebt, verabschiedet sich früher oder später. Schon lange ist bekannt, dass Jobs dann besonders animierend sind, wenn sie abwechslungsreich, bedeutsam und ganzheitlich gestaltet sind (Fried / Ferris 1987). Das heißt, Mitarbeitende verstehen, wie ihre Arbeit zum großen Ganzen beiträgt, und sie haben ein breites Aufgabenspektrum anstelle von repetitiven Teilaufgaben.
  • Keine hohe Einbettung: Die Einbettung eines Mitarbeitenden in eine Organisation drückt sich durch die Passung zur Organisation, die Vernetzung innerhalb des Unternehmens und die Kosten bei Verlassen aus. Wer in allen drei Aspekten niedrige Werte hat, trennt sich schneller vom Arbeitgebenden.
  • Geringe Zufriedenheit und viel Work-Life-Conflict: Wer im Job oder in anderen Lebensbereichen wenig zufrieden ist und zudem spürt, dass Konflikte zwischen Arbeit und Privatleben bestehen, kündigt eher.

Und was ist nun mit dem Gehalt? Auch wer unzufrieden mit dem Arbeitslohn ist, kündigt eher. Der Zusammenhang ist aber weniger stark als bei den oben genannten Gründen und zum Beispiel genauso hoch wie die Wahrnehmung von Gerechtigkeit in der Organisation.

Die Praxis

Für ein evidenzbasiertes Turnover-Management in Organisationen empfehlen Expert*innen ein Vorgehen in drei Schritten (in Anlehnung an Allen et al. 2010):

  • Aktuelle Gründe analysieren: Wie viele und welche Mitarbeitende kündigen – und wie verhalten sich Kosten und Nutzen bei den Kündigungen in unserer Organisation? Wie stellt sich die Situation im Vergleich mit organisationsspezifischen und externen Benchmarks dar?
  • Geteiltes Verständnis schaffen: Welche unterschiedlichen Gründe für Kündigungen gibt es generell und spezifisch in unserer Organisation? Welche Rollen spielen dabei verschiedene Stakeholder, und was können sie tun?

Zugeschnittene Maßnahmen einsetzen: Die Maßnahmen sollten sich nach dem Ergebnis der Diagnose richten (Allen 2008). In der Breite wirksam ist etwa die Förderung der internen Mobilität, das heißt die Möglichkeit für Jobwechsel innerhalb des Unternehmens, die Verbesserung des Organisationsklimas und die Führungskräfteentwicklung (Allen et al. 2010). Auch das Thema Flexibilität in der Arbeitsgestaltung nimmt zunehmend eine wichtige Rolle ein (Sull et al. 2022). Über Analysen für einzelne Zielgruppen, etwa im Rahmen von Fokusgruppen, lassen sich Ansatzpunkte für weitere spezifische Maßnahmen aufdecken. 


Literatur

Allen, D. G. (2008): Retaining talent: A guide to analyzing and managing employee turnover. SHRM Foundation’s effective practice guidelines series, Alexandria/VA

Allen, D. G. / Bryant, P. C. / Vardaman, J. M. (2010): Retaining talent: Replacing misconceptions with evidence-based strategies, in: Academy of Management Perspectives, 24 (2), 48-64

Fried, Y. / Ferris, G. R. (1987): The validity of the Job Characteristics Model: A review and meta‐analysis, in: Personnel Psychology, 40 (2), 287-322

Rubenstein, A. L. et al. (2017): Surveying the forest: A meta‐analysis, moderator investigation, and future‐oriented discussion of the antecedents of voluntary employee turnover, in: Personnel Psychology, 71 (1), 23-65

Sull, D. / Sull, C. / Zweig, B. (2022): Toxic culture is driving the great resignation, in: MIT Sloan Management Review; sloanreview.mit.edu/article/toxic-culture-is-driving-the-great-resignation/

Der Fachartikel erschien zuerst in unserem Fachmagazin PERSONALFÜHRUNG 09/2023.

Autor: Laura Creon, Consultant bei der Transformationsberatung HRpepper, Berlin

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