Sylvia Borcherding, Geschäftsführerin und Arbeitsdirektorin bei 50Hertz, über Change-Management, Diversität und die übergeordnete Rolle von HR

Schneller werden und wachsen: Sylvia Borcherding ist mit dafür verantwortlich, den Netzbetreiber 50Hertz fit für die Energiewende zu machen. Auch deshalb prüft sie regelmäßig die Nachfrage nach Hafermilch in der Kantine.

Sylvia Borcherding, 57, hatte nach einer Ausbildung zur Datenverarbeitungskauffrau sowie einem M.A.-Studium in Business Coaching und Change Management leitende Positionen in mittelständischen Unternehmen sowie Konzernen inne. Seit 2020 verantwortet sie bei 50Hertz als Mitglied der Geschäftsführung das Personalressort und den Bereich Corporate Governance. Ehrenamtlich ist sie im Vorstand der Hans-Böckler-Stiftung tätig.

Frau Borcherding, die Energiebranche steht unter Strom. Mit neuen und häufig wechselnden politischen Vorgaben soll die Energiewende umgesetzt werden. Was bedeutet das für 50Hertz?

Sylvia Borcherding Das bedeutet vor allem, mehr Kapazitäten aufzubauen. Und zwar schneller. Außerdem verfolgt 50Hertz das Ziel, bis 2032 übers Jahr gerechnet hundert Prozent erneuerbare Energien sicher ins Netz und ins System zu integrieren. Das ist auch eine technologische Herausforderung. Das schwankende Angebot der erneuerbaren Energien muss etwa durch Speicherlösungen abgepuffert werden, und da ist die Technologie noch nicht ausgereift. Für uns als Unternehmen bedeutet das schnellere Bauen auch mehr Wachstum. Seit zwei Jahren stellen wir zwischen 15 und 20 Prozent zusätzliche Mitarbeitende jährlich ein.

Wie gelingt es Ihnen, die geeigneten Mitarbeitenden zu finden?

Sylvia Borcherding Es liegt in der Verantwortung von HR, eine Kultur zu beschreiben und aufzubauen, die Mitarbeitende anspricht, von der sie sich angezogen fühlen und wo sie auch bleiben wollen.

Wie würden Sie diese Kultur beschreiben?

Sylvia Borcherding Diversität ist die Ausgangssituation für eine gute Unternehmenskultur. Wir wollen eine sehr bunte Organisation werden in Hinblick auf alle Diversitätskriterien, weil wir davon überzeugt sind, dass Diversität uns besser und schneller macht. Diversität zeigt sich nicht nur darin, dass bei uns viele Frauen oder Mitarbeitende aus unterschiedlichen Nationen beschäftigt sind, sondern auch darin, dass unterschiedliche Meinungen gehört und diese Perspektiven in Entscheidungen einbezogen werden.

Um jährlich bis zu 20 Prozent neue Mitarbeitende zu finden, und das auf einem leer gefegten Markt für Fachkräfte, ist eine gute Unternehmenskultur sicher nicht ausreichend. Was machen Sie noch, um geeignete Kandidat*innen zu finden?

Sylvia Borcherding Ein Drittel der Belegschaft ist über Empfehlungen zu uns gekommen. Wenn wir Mitarbeitende haben, die stolz auf ihre Tätigkeit sind, dann gelingt es uns, darüber neue Kolleg*innen zu gewinnen. Außerdem haben wir uns durch eine klare politische Positionierung für erneuerbare Energien einen Namen gemacht. Und nicht zuletzt gewinnen wir viele potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten über LinkedIn.

Sie gewinnen stetig neue Mitarbeitende hinzu. Wie klappt die rasche Integration in die bestehende Belegschaft?

Sylvia Borcherding  Diese Frage bekomme ich in letzter Zeit häufig gestellt, insbesondere auch in Bezug auf die generationenübergreifende Zusammenarbeit. Aber intern haben wir uns das noch nie gefragt, weil wir gar keinen kulturellen Clash bemerken. Die Kolleginnen und Kollegen mit langer Erfahrung profitieren von dem flexiblen, agilen Arbeitsverständnis der jüngeren Menschen, und diese ziehen Nutzen aus der Erfahrung der Älteren.

Aus dem Perfektionismus rauskommen

Das klingt nach einer heilen Welt. Wo liegen die Herausforderungen?

Sylvia Borcherding  Dass wir nicht schnell genug sein können. Das stellt angesichts der Klimakrise ein gesamtgesellschaftliches Problem dar. Wir stehen vor der großen Herausforderung, dass wir nicht schnell genug dabei sind, Bürokratie abzubauen, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen und so weiter.

Meine Frage zielte auf die Herausforderungen für den HR-Bereich.

Sylvia Borcherding  Das Tempo, mit dem wir die Energiewende umsetzen müssen, bedeutet auch, dass wir uns ein Stück weit vom Perfektionismus verabschieden müssen. Doch da stehen wir vor einem Dilemma, denn beim Umgang mit Strom darf es nur hundert Prozent Perfektionismus gehen, genauso beim Thema Arbeitssicherheit und bei der Compliance.

Dennoch müssen Sie auch intern Vorgänge beschleunigen?

Sylvia Borcherding  Genau. Ein Beispiel: Früher haben wir alle Waren bei Projektbeginn bestellt. Die Verfügbarkeit bei den Lieferanten ist aber nicht mehr immer gegeben. Heute beginnen wir das Projekt, das durchaus eine Laufzeit von sechs bis 15 Jahren hat, und bestellen parallel die notwendigen Teile wie etwa Kabel, Transformatoren et cetera. Dadurch werden wir schneller. Wo wir es uns leisten können, agieren wir weniger bürokratisch, aber niemals weniger auf Sicherheit bedacht.

Viele Ihrer Mitarbeitenden sind jedoch an das herkömmliche Vorgehen gewöhnt. Wie gelingt die Umstellung?

Sylvia Borcherding  Wir verlagern zunehmend Verantwortung auf die Menschen, die näher an den Projekten dran sind. Mehr Verantwortung führt häufig zu höherer Motivation.

Die Änderung muss also in den Köpfen stattfinden?

Sylvia Borcherding  Ganz genau. Das gelingt durch intensive Kommunikation. Dazu gehört die Botschaft, dass wir schneller werden müssen. Da lassen wir die Mitarbeitenden nicht alleine, das wird innerhalb der Projekte diskutiert. Wir erörtern es auch in der Geschäftsführung, weil wir Weichen stellen müssen, etwa um unsere eigenen Governance-Regeln an die sich verändernden Rahmenbedingungen anzupassen. HR muss früh mit am Tisch sitzen.

Was kann der HR-Bereich dazu beitragen?

Sylvia Borcherding Unsere HR-Consultants gehen sehr früh in diese Transformationsprozesse mit rein, damit HR gleich mitgedacht wird. Da stellen sich Fragen wie „Müssen wir Mitarbeitende besonders schulen?“, „Was bedeutet das für die Abstimmung im Betriebsrat?“, „Was bedeutet das für die Abstimmung mit der Gesamtgruppe in Belgien?“ und so weiter. Man muss sagen, das ist in den letzten zwei, drei Jahren stärker entstanden, früher war es anders. Da gab es fertige Konzepte in den Köpfen der Führungskräfte, und dann haben sie HR nur für die Umsetzung dazugeholt. Wir haben gemerkt, das funktioniert nicht mehr, sondern HR muss von Anfang an mit am Tisch sitzen.

Welche Methoden nutzen Sie, damit das gelingt?

Sylvia Borcherding Wir machen sehr viele partizipative Workshop-Formate. Wir haben ein Leadership-Modell, das auf heutige und zukünftige Kompetenzen setzt, etwa Kommunikationsfähigkeiten, Netzwerkfähigkeiten, visionäres Denkvermögen, Ambiguitätsmanagement, die dazu dienen, Komplexität zu managen. In den letzten zwei Jahren haben wir gelernt, dass von uns mehr Beschleunigung erwartet wird, das spiegelt sich in unserem Projektportfolio wider. Aber das Wie entscheidet im Wesentlichen darüber, wie schnell wir sind und wie reibungslos alles funktioniert. Dahinter steckt viel harte Arbeit.

Gemeinsame Ziele in der Mitbestimmung

Sie sind außerdem Arbeitsdirektorin bei 50Hertz. Wie schwierig ist es, das Vertrauen beider Seiten zu gewinnen, um Veränderungen umzusetzen?

Sylvia Borcherding Die Mitbestimmung spielt eine wesentliche Rolle im Betrieb und im Aufsichtsrat. Wenn es uns gelingt, mit der Mitbestimmung ein gemeinsames Zielbild zu entwickeln, ist nachher der Weg dorthin nur noch ein Aushandlungsthema. Wenn ich aber vorher über das Wie streite und das Zielbild nicht klar habe, verkämpfe ich mich im Klein-Klein. Inzwischen ist das gemeinsame Zielbild formuliert: „Wir sind eine schnelle, flexible Organisation, die den Anforderungen der Energiewende gerecht wird.“ Diese gemeinsame Zielbildentwicklung ist ein Schlüssel, weil sie zeigt, wir sitzen in einem Boot, ziehen an einem Strang, vergessen dabei aber nie, dass es unterschiedliche Interessen gibt. Na klar, der Betriebsrat will auch finanziell das Maximale für die Mitarbeitenden rausholen. Da sind wir in Bezug auf die Möglichkeiten sehr transparent und sagen, dies geht, jenes nicht.

Kommen wir noch einmal auf die Beschleunigung der Prozesse zurück. Welche Rolle spielt die Digitalisierung dabei?

Sylvia Borcherding In meiner Rolle stelle ich mir häufig die Fragen: Welche Rolle spielt die Digitalisierung für die Organisation, und welchen Beitrag leistet HR dabei? Wie werden wir durch Digitalisierung schneller? Wir nutzen Formate wie Hackathons und Citizen Development, um Mitarbeitende schnell Erfolge sehen zu lassen. Davon abgesehen habe ich natürlich ein großes Interesse daran, möglichst viele HR-Prozesse zu automatisieren, um sie einfacher und schneller zu machen. Ich habe für mich aber noch nicht entdeckt, wie man allein durch Digitalisierung qualitative Sprünge hinbekommt. Das liegt vielleicht aber auch daran, dass bei einem mittelständischen Unternehmen wie unserem aufgrund der Größe kaum Skalierungseffekte entstehen. Im Recruiting spielt Digitalisierung in Form von Künstlicher Intelligenz hingegen eine große Rolle bei der Identifikation potenzieller Kandidatinnen und Kandidaten.

Die Weiterentwicklung von HR darf kein Selbstzweck sein, sondern muss sich an den tatsächlichen Unternehmensaufgaben orientieren. Wir können ganz tolle Systeme wie etwa Success Factors haben, aber wenn es den Leuten nichts nutzt und nicht auf die eigentlichen Kernprobleme eingeht, dann habe ich keinen Beitrag zum Unternehmenserfolg geleistet. Daher finde ich es so wichtig, dass HR in alle relevanten Entscheidungen einbezogen werden muss – und nicht nur soll. Denn es geht genau um die wertschöpfende Rolle von HR in der Transformation. Es gibt HRler, die sehen das anders, aber mein Blick ist: „Ich muss größer denken als HR.“

Digitalisierung vorantreiben

Ein Aspekt ist die Digitalisierung von HR, ein anderer, dass HR die Kompetenzen sicherstellen muss, um die Digitalisierung im Gesamtunternehmen voranzutreiben. Dabei sind IT-Fachkräfte schwer zu haben. Wie finden Sie Mitarbeitende mit den entsprechenden Kenntnissen?

Sylvia Borcherding  Die Frage ist: Müssen wir sie immer finden, oder können wir nicht unsere bisherigen Mitarbeitenden weiterentwickeln? Wir glauben, dass ein Großteil unserer Mitarbeitenden ein Interesse hat, eigene Digitalisierungsfähigkeiten auszubauen. Wenn jemand digitale und innovative Ideen hat, kann er diese im „Nest“, einem unternehmenseigenen Inkubator, umsetzen. Die Kolleg*innen können sich für eine bestimmte Zeit aus dem Kerngeschäft rausziehen und ihre Ideen in einem Piloten umsetzen oder einen Prototypen entwickeln. Dabei sind schon tolle Lösungen entstanden. Was in der Vergangenheit auch von uns unterschätzt wurde, ist die intrinsische Motivation der Mitarbeitenden, sich in Bezug auf Digitalisierung zu engagieren. Da gibt es viel Potenzial. Und wir schauen auf weitere Kernkompetenzen der Zukunft, um sie weiterzuentwickeln.

Wie genau gehen Sie vor?

Sylvia Borcherding  Wir entwickeln entsprechende Learning Journeys. Wir erklären Digitalisierungsphänomene in Trainings und stellen uns die Frage: Wie gewinnen wir diese Menschen, die rar am Markt sind, für uns? Die finden wir auf gleichen Wegen wie andere auch. Es gelingt uns durchaus, Menschen mit viel Erfahrung in Digitalisierung und Innovation von Unternehmen wie etwa Amazon zu uns zu holen. Ich wiederhole mich: Das hat etwas mit unserer Kultur zu tun und mit den Möglichkeiten und Perspektiven bei uns. Und was man nicht unterschätzen darf: Gerade bei den jüngeren Generationen spielt das Thema Purpose oder Sinnstiftung und Unternehmenskultur eine Riesenrolle.

Woran machen Sie das fest?

Sylvia Borcherding Ein Beispiel: Mit den vielen neuen Mitarbeitenden ist auch der Anteil der vegetarischen Mittagsgerichte in unserem Mitarbeitenden-Restaurant gewachsen. Alle zwei Wochen etwa erkundige ich mich in unserem „Netzcafé“, wie viel Hafermilch im Vergleich zu Kuhmilch nachgefragt wird, und merke auch dort, da gibt es eine Veränderung. Es reicht eben nicht, auszusagen, wir sind Bestandteil der Energiewende, sondern wir müssen auch an anderen Stellen dem Bedürfnis nach mehr Nachhaltigkeit gerecht werden.

Diversity in einer Männerbranche

Neben der Nachhaltigkeit wird Diversity bei 50Hertz großgeschrieben. Dennoch haben Sie bisher erst einen Frauenanteil von 25 Prozent. Ist die Energiebranche immer noch eine Männerbranche?

Sylvia Borcherding  Die Branche ist in der Tat immer noch stark männerdominiert. Das liegt auch an dem sehr geringen Anteil an Frauen, die in den MINT-Fächern und speziell in den Elektroingenieursberufen von den Hochschulen abgehen. Es gelingt uns allerdings, überproportional viele dieser Frauen für uns zu gewinnen. Das ist harte Arbeit, um es ganz ehrlich zu sagen, und der Markt ist eng. Als ich hier anfing, hieß es immer: „Es gibt keine Frauen in der Energiebranche.“ Das ist natürlich Quatsch. Aber ich muss aktiv und viel dafür tun, dass mehr Frauen zu uns kommen. Was haben wir gemacht, und zwar frühzeitig? Wir haben alle Stellenausschreibungen weiblich ausgeschrieben, und zwar schon vor irgendwelchen Gender-Debatten. Das gab Riesendiskussionen. Mitarbeiter habe sich bei mir beschwert, dass Kollegen anderer Netzbetreiber sie auslachen, weil 50Hertz nur noch Frauen einstellt.

Was haben Sie geantwortet?

Sylvia Borcherding Die Kollegen sagten häufiger: Durch die neuen Ausschreibungen bauen wir keinen Kilometer Leitungsnetz mehr. Das Gegenteil ist natürlich schwer zu beweisen. Wir dürfen uns nicht beirren lassen und machten einfach weiter. Das fanden einige nicht so toll, glaube ich, aber niemand hat es mir verboten.

Konnten Sie denn durch die neuen Ausschreibungen mehr Kolleginnen gewinnen?

Sylvia Borcherding  Natürlich, der Frauenanteil bei den Bewerbungen ist gestiegen. Außerdem habe ich in den Trainee-Sessions junge Männer sitzen gehabt, die sagten: „Das fand ich super, dass ihr die Stelle weiblich ausgeschrieben habt. Das hat mir gezeigt, dass ihr ein modernes Unternehmen seid.“ Das sind die Effekte, die unser Vorgehen erzielt. Und genau darauf kommt es an, denn der Erfolg gibt uns recht.

Abgesehen von den neuen Formulierungen in den Ausschreibungen – was tun Sie noch, um den Frauenanteil zu steigern?

Sylvia Borcherding Man muss ein bisschen experimentieren und, was immer wichtiger wird, auch auf individuelle Bedürfnisse eingehen. Kollektivvereinbarungen reichen nicht mehr aus, ich muss sehr individuell fragen: Zielgruppe A, Zielgruppe B, was braucht ihr genau? Frauen sind eben auch eine besondere Zielgruppe. Und ich muss eine klare Botschaft senden, dass ich sie in der Organisation haben will. Für mich persönlich gab es eine peinliche Begebenheit bei der letzten Gesamtbetriebsversammlung…

Was ist passiert?

Sylvia Borcherding Eine Elektrotechnikerin – wie wir sie händeringend suchen – ist aufgestanden und hat gesagt, ich finde das ja toll mit eurem Diversity Approach, aber dass wir immer noch keine Sicherheitsbekleidung speziell für Frauen haben, das ist bitter. Ich habe gedacht, wie wenig umsichtig sind wir eigentlich, dass wir das noch nicht beachten. Das haben wir sofort nachgeholt und Sicherheitsbekleidung für Mitarbeiterinnen beschafft; die ist anders geschnitten. Das klingt trivial, aber man muss diese Dinge unbedingt beachten.

Was unternehmen Sie außerdem, um Frauen den Weg zu bahnen?

Sylvia Borcherding Wir haben uns intern eine Zielquote von 30 Prozent Mitarbeiterinnen gegeben bis zum Jahr 2030. Da ist noch ein langer Weg zu gehen, aber wir verbessern uns kontinuierlich. Die Rahmenbedingungen stimmen, Teilzeit, mobiles Arbeiten sind möglich und heutzutage Basis für die Gewinnung von jungen und weiblichen Talenten. Was macht das so schwer in einem Unternehmen wie dem unseren? Wir haben kaum Fluktuation. Sie liegt unter fünf Prozent, und da wir keine männlichen Führungskräfte aus Führungspositionen rausnehmen, um Frauen auf diese Stellen zu setzen, geht es eben langsam. Ich kann nicht jede Führungsstelle, die frei wird, automatisch mit einer Frau besetzen. Wir nutzen einen Auswahlprozess und achten darauf, dass dieser sehr gleichgestellt ist. Das heißt, der Frauenanteil in Führungspositionen wächst bei uns kontinuierlich, aber nicht so schnell, wie in anderen Unternehmen, die eine höhere Fluktuation haben.

Plattform für offene Diskussionen

Abgesehen von Ihrer Tätigkeit bei 50Hertz sind Sie auch in der DGFP aktiv. Warum engagieren Sie sich dort?

Sylvia Borcherding Die DGFP leistet einen ganz, ganz wichtigen Beitrag zur Entwicklung von HR in und bei Unternehmen, die selbst noch Professionalisierungsbedarf haben. Unternehmen, die teilweise keine eigenen Personalabteilungen haben, Unternehmen, die vielleicht gar nicht so aufgestellt sind, dass sie tagesaktuelle Themen aufgreifen können. Ein Beispiel: das Zuwanderungsgesetz. Da ist man sehr stolz auf das, was erreicht wurde. Meine Wahrnehmung ist, dass wir noch gar keine Willkommenskultur haben für eine Zuwanderung. Solange wir die nicht haben, wird es schwierig. Es braucht einfach mehr Debatten dazu, auch in der HR-Community. Dafür ist die DGFP eine geeignete Plattform. Das ist der eine Grund, der andere Grund sind Themen wie die Mitbestimmung.

Zu dem Thema engagieren Sie sich stark.

Sylvia Borcherding Ich finde diese Haltung, da sind zwei Parteien, die Gegenpositionen einnehmen müssen, nicht zeitgemäß. Das funktioniert nicht mehr. Wir müssen miteinander Dinge bewegen. Ich finde es wichtig, auch ein bisschen Systemsprenger zu sein im HR und zu sagen, das haben wir bisher zwar so gemacht, aber zukünftig müssen wir Sachen ein bisschen anders machen und auch Menschen mehr partizipieren lassen. Für solche Diskussionen bietet die DGFP unternehmensübergreifend gute Formate.

Außerdem sind Sie auch in der Hans-Böckler-Stiftung aktiv. Wie kriegen Sie das alles unter einen Hut?

Sylvia Borcherding Ich nehme es nicht als zusätzlichen Aufwand wahr. Für mich ist es eine persönliche Weiterentwicklung. Der Moment, in dem ich mit DGFP-Mitgliedern oder auch mit Vorstandskolleginnen und ‑kollegen interagiere, bedeutet für mich jeden Tag Wachstum. Ich lerne etwas Neues, und das ist total wertvoll. Das ist eine Bereicherung, die ich auch ins Unternehmen transportieren kann. Das Gleiche gilt für die Hans-Böckler-Stiftung. Da geht es darum, zu verstehen, wie Mitbestimmungsarbeit professionell und institutionalisiert funktioniert. Diese Erfahrungen nehme ich dann wiederum mit ins Management des Kerngeschäfts.

Vielen Dank für das Gespräch! 

Das Gespräch führten Ralf Steuer und Dr. Charlotte Schmitz.

Das Interview erschien zuerst in unserem Fachmagazin PERSONALFÜHRUNG 09/2023.

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