Warum Politik (nicht) an den Arbeitsplatz gehört

Weltweit lässt sich ein Erstarken nationalistischer Ideologien beobachten. Populistische und rechtsextreme Weltanschauungen werden auf der politischen und gesellschaftlichen Bühne sichtbar und mitunter stark aufgeheizt diskutiert. Während einige die Integration politischer Diskussionen am Arbeitsplatz begrüßen, sehen dies andere skeptisch. Sollten Unternehmen politische Verantwortung übernehmen? 

Das Problem

Vor dem Hintergrund des zunehmenden Einflusses von antidemokratischen Strömungen gewinnt die Frage nach dem politischen Engagement von Unternehmen an Bedeutung. Wie viel Politik sollte am Arbeitsplatz erlaubt sein? Und welche Risiken sowie Chancen birgt hier der politische Diskurs? Antworten liefert unter anderem das von Dr. Johannes Bohnen, Experte für strategische Kommunikation und politische Analyse, maßgeblich geprägte Konzept Corporate Political Responsibility (CPR). Es betont die Bedeutung des politischen Engagements von Unternehmen für das Gemeinwohl und ihre Verantwortung, die demokratisch verfasste Gesellschaft, die ihr Wirken ermöglicht, zu erhalten und zu stärken. Die Stabilität von Demokratien liegt, laut Bohnen (2020), in der Freiheit, offene Debatten über gesellschaftsrelevante Entscheidungen zu führen, die die Vielfalt an Meinungen im öffentlichen Raum sichtbar und damit auch Innovationen möglich machen.

Ein verbreitetes Argument gegen eine bewusste politische Positionierung lautet, dass diese von den organisationalen Kernkompetenzen ablenke und das Hauptziel des Unternehmens – einen Wert für seine Shareholder zu erwirtschaften – konterkariere. Bohnen widerspricht: „Wer durch konsequente Stärkung des öffentlichen Raumes eine hohe Markenreputation erworben hat, baut Kapital auf. (...) Eine politisch nachhaltige Unternehmenskultur trägt zur ökonomischen Substanzsicherung bei. Gerade Aktionären mit langfristigen Anlagehorizonten muss daran gelegen sein.“ (Bohnen 2020)

Die Wissenschaft

Die freie Meinungsäußerung kann dazu beitragen, dass die Mitglieder einer Organisation sich empowert fühlen. Eine Kultur der psychologischen Sicherheit fördert nicht nur die Innovation und Kreativität, sondern stärkt auch das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Identifikation mit dem Unternehmen (Unger et al. 2022). Betriebe, die sich durch psychologische Sicherheit auszeichnen, das heißt die unterschiedliche Standpunkte und Ideen zulassen und einen (politischen) Diskurs aktiv fördern, sind besser in der Lage, auf Veränderungen zu reagieren und innovative Lösungen zu entwickeln (Edmondson 2018). Eine solche Vielfalt trägt nicht nur zur Stärkung der Organisation bei, sondern auch zur Stabilität und Resilienz der Gesellschaft als Ganzes (Peters / Bauer 2024).

Die Praxis

Da politische Themen bereits die Gedanken und Alltagsgespräche der meisten Menschen und damit auch Mitarbeitenden bestimmen, stellt sich weniger die Frage, ob Politik am Arbeitsplatz eine Rolle einnehmen sollte, sondern vielmehr, wie Unternehmen die nötigen Voraussetzungen schaffen, um einen effektiven Dialog zu fördern (Winters 2017). Um ein rassismus- und populismusfreies Arbeiten zu ermöglichen, tragen sowohl der Personalbereich als auch das Führungspersonal eine große Verantwortung (McDonald 2022; Bohnen / Hennies 2022). Mitarbeitende dürfen nicht nur das Gefühl bekommen, dass freie Meinungsäußerung erlaubt ist, sondern von allen Führungsebenen auch nachdrücklich unterstützt und gefördert wird. Dazu gehören die Schaffung eines offenen und respektvollen Arbeitsumfelds, die Etablierung von Austauschformaten und offenen Diskussionsforen sowie die Förderung von interkultureller Kompetenz, Kompromissfähigkeit und Diversity Management (Bohnen / Hennies 2022; Peters / Bauer 2024). Um die nötige Basis für einen konstruktiven (politischen) Austausch zu schaffen, bieten sich Trainings zur Stärkung der psychologischen Sicherheit oder zu sensiblen Themen wie Hatespeech und Verschwörungserzählungen an, um eine respektvolle Diskussionskultur in Teams zu fördern (Business Council for Democracy 2024). Insgesamt zeigt sich, dass Unternehmen, die sich aktiv für Offenheit, Toleranz und Vielfalt einsetzen, wirtschaftlich erfolgreicher, gesellschaftlich relevanter und nachhaltiger sind – nicht zuletzt weil sie dadurch, im Sinne des Employer Branding, einem Arbeits- beziehungsweise Fachkräftemangel entgegenwirken können. 

Rebecca Jennerjahn, Senior Consultant bei der Transformationsberatung HRpepper, Berlin

Literatur

Bohnen, J. (2020): Corporate Political Responsibility (CPR). Wie Unternehmen die Demokratie und damit sich selbst stärken, Berlin

Bohnen, J. / Hennies, L.-P. (2022): Werdet politisch! Wie Unternehmen die Demokratie stärken können – zum eigenen Vorteil, Bertelsmann Stiftung; www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/werdet-politisch

Business Council for Democracy (2024): Neue Allianzen für das digitale Zeitalter; www.bc4d.org/

Edmondson, A. C. (2018): The fearless organization: Creating psychological safety in the workplace for learning, innovation, and growth, Hoboken/NJ

McDonald, K. (2022): Gemeinsam unterschiedlich. Der Leitfaden für Führungskräfte und Mitarbeitende zu Diversity, Gleichberechtigung und Inklusion am Arbeitsplatz, Weinheim

Peters, P. / Bauer, M. (2024): Diversity Management, Stuttgart

Unger, F. / Sann, U. / Martin, C. (2022): Teams leiten und entwickeln, in: Unger, F. et al.: Personalführung in Organisationen der Sozialwirtschaft, Wiesbaden, 241-320

Winters, M.-F. (2017): We can’t talk about that at work! How to talk about race, religion, politics, and other polarizing topics, Oakland/CA