"Mich wundert, dass es nicht mehr von meiner Sorte gibt"
Dräger-Vorstand Dr. Reiner Piske über ungewöhnliche Ressortkombis im Topmanagement und internationales HR-Management
Die Drägerwerk AG & Co. KGaA in Lübeck, bei der Dr. Reiner Piske im Vorstand zuständig für Personal, Vertrieb und Service ist, vermeldet für die erste Hälfte des Jahres 2023 wieder ein Umsatz- und Erlösplus. Mit dazu beigetragen hat die verbesserte Lage bei den Lieferketten, von denen das traditionsreiche Familienunternehmen mit seiner weltweit ausgedehnten Vertriebs- und Servicestruktur stark abhängig ist. Die Verbindung von Vertrieb und HR in einer Vorstandsfunktion stärke Dräger in seiner Geschäftstätigkeit, sagt Piske.
Dr. Reiner Piske ist Vorstandsmitglied für Personal und Vertrieb bei Dräger in Lübeck. Zusätzlich trägt er die Verantwortung für das globale Servicegeschäft. Piske hat Wirtschaftsingenieurwesen studiert und am Lehrstuhl für Organisation, Personalwesen und Führungslehre der TU Berlin promoviert. Vor seiner Tätigkeit bei Dräger war er unter anderem für die Technologieunternehmen Rehau und Groz‑Beckert tätig. Piske ist seit 2015 Personalvorstand bei Dräger und seit 2020 auch Vertriebsvorstand. Seit 1. Juli 2023 ist er Mitglied des Vorstands der DGFP.
Herr Dr. Piske, nach einem Personalvorstand, der zugleich CSO ist, muss man lange suchen. Warum nutzt Dräger eine Organisationsstruktur, die kaum ein anderes Unternehmen wählt?
Dr. Reiner Piske: Eigentlich wundert mich, dass es nicht mehr von meiner Sorte gibt. Wir stellen bei Dräger eine enge Verknüpfung her zwischen den primären und unterstützenden Funktionen, indem zur Leitung einer unterstützenden Funktion zusätzlich die Verantwortung für eine primäre Funktion übernommen wird. Diese Synergie stellt eine kunden- und ergebnisorientierte Ausrichtung der unterstützenden Funktion sicher. Wenn wir etwa über die Personalstrategie diskutieren, ist die Perspektive der Vertriebs- und Serviceorganisation automatisch integriert.
Apropos HR-Netzwerk beziehungsweise HR-Community: Seit dem 1. Juli 2023 sind Sie Vorstandsmitglied der DGFP. Warum engagieren Sie sich dort?
Piske: Ich kenne die DGFP schon aus den Zeiten, als ich meine Dissertation geschrieben habe. Damals habe ich schon die PERSONALFÜHRUNG gelesen, die ein praxisorientiertes Gegengewicht zu vielen eher theoretischeren Fachzeitschriften bildet. Danach bin ich im Personalbereich in der Industrie gestartet, da war die DGFP immer präsent für mich, etwa in Form der Erfa-Gruppen, die in den einzelnen HR-Bereichen der Unternehmen sehr geschätzt wurden. Wenn ich mich jetzt in der DGFP engagieren kann zu aktuellen und zukunftsweisenden Themen in HR, dann bringe ich meine Erfahrungen, die ich über die Jahre auch in internationalen Funktionen gesammelt habe, gerne mit ein. Ich hatte ja die Chance, in meinem Berufsleben über HR hinaus andere Bereiche zu leiten, zum Beispiel Einkauf, IT oder Logistik, und ich habe einige Jahre im Ausland gearbeitet. Schlussendlich möchte ich aber auch eine Tradition fortsetzen: Stefan Dräger war 18 Jahre lang im Vorstand der DGFP, ebenso zuvor schon sein Vater Dr. Christian Dräger.
Was Personal verbindet
Lassen Sie uns noch einmal auf Ihre Doppelrolle kommen: Gäbe es bei Dräger jeweils einen eigenen Vertriebs- und Personalvorstand, was könnten mögliche Probleme sein?
Piske: Wenn unterstützende Funktionen für sich stehen und einzeln organisiert sind, besteht zumindest das Risiko, dass diese sich auf funktionale Exzellenz ausrichten, funktionale Silos entstehen. So geht die ganzheitliche Ausrichtung auf den eigentlichen Unternehmenszweck ein Stück weit verloren. Wir bei Dräger haben den Vorteil, eine strukturell integrierte Organisation zu haben. Im Übrigen verbindet Personal und Vertrieb viel. Aus beiden Funktionen ergeben sich sehr ähnliche Anforderungen an die in ihnen handelnden Personen. Personaler und Vertriebler müssen gut kommunizieren können, sie müssen Perspektiven wechseln und Menschen begeistern können; was voraussetzt, deren Bedürfnisse zu verstehen. Und natürlich müssen Vertriebler ebenso wie Personaler gut Verhandlungen führen können.
Sie haben aber auch mal gesagt, Sie wollten keine „Egoshooter“ im Vertrieb. Herrschen in HR und Vertrieb doch manchmal sehr unterschiedliche Zielbilder…
Piske: Ja, manchmal gibt es ja in Vertrieben eher Tendenzen zur Selbstdarstellung als in HR. Bei Dräger gibt es das Thema aber so nicht. Wir wollen Vertriebspersönlichkeiten, die an einer langfristigen, nachhaltigen Kundenbeziehung interessiert sind und sich mit unserem von Vertrauen und Respekt geprägten Leitbild zur Führung und Zusammenarbeit identifizieren können. Dasselbe gilt für HR.
Internationales HR
Wie ist Ihre HR-Arbeit weltweit strukturiert? Was wird lokal gemacht, was in der Zentrale in Lübeck? Neben den Vertriebs- und Servicegesellschaften in 50 Ländern weltweit verfügt Dräger auch über mehr als zwanzig Entwicklungs- und Fertigungsstandorte.
Piske: Im Grundsatz ermöglicht unsere HR-Struktur, die spezifischen Anforderungen und Bedürfnisse unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf lokaler Ebene zu berücksichtigen, während gleichzeitig eine gewisse zentrale Steuerung und Zusammenarbeit gewährleistet werden. Die HR-Arbeit vor Ort, insbesondere an unseren Vertriebs‑, Entwicklungs- und Fertigungsstandorten weltweit, konzentriert sich auf operative Aufgaben. Die Teams kümmern sich vor Ort um die Personalbeschaffung, ‑betreuung und ‑entwicklung und administrative Prozesse. Hier in der Zentrale gibt es ein globales Team, das in verschiedenen Centers of Expertise arbeitet. Hier werden globale Leitlinien und Systeme definiert und zur Umsetzung gebracht – beispielsweise zur Führung und Zusammenarbeit bei Dräger, zu Vergütungsgrundsätzen, zum Employer Branding oder zu unseren Human-Resource-Informationssystemen.
Aus dem Perfektionismus rauskommen
Wie fügen Sie lokale Erwartungen und eine Gesamtschau hier von der Zentrale aus beim Thema Comp & Ben zusammen?
Piske: Compensation & Benefits ist aus meiner Sicht ein sehr dezentrales Thema, da es weltweit sehr große Unterschiede in der Marktüblichkeit von Gehalts- und Nebenleistungssystemen gibt. So reicht die Spanne des üblichen variablen Gehaltsanteils im Vertrieb von bis zu 70 Prozent in Teilen Südamerikas bis zu nahe null Prozent in Teilen Mitteleuropas. Aus der Zentrale kommen deshalb nur einige wesentliche Grundsätze zur Vergütung und Nebenleistungen. Dazu gehören zum Beispiel die globalen Rahmenvorgaben zur Topmanagementvergütung, Firmenwagen und Dienstreisen. Innerhalb der zentralen Rahmenvorgaben sind die lokalen HR-Teams gemeinsam mit den verantwortlichen Geschäftsleitungen für die konkrete Ausgestaltung und Marktüblichkeit der Gehalts- und Nebenleistungssysteme in den Ländern verantwortlich. Für alle Veränderungen gibt es Kontroll- und Freigabesysteme, bei größeren Themen wie etwa linearen Gehaltsanpassungen bis zu mir.
Dezentralität stößt bisweilen ökonomisch an Grenzen, insbesondere in der Personaladministration, weil sehr hohe Kosten entstehen, ebenso beim Abrechnungs- oder Recruiting-System. Wie ist die Governance bei Dräger?
Piske: Wir sind nicht komplett dezentral organisiert. Die Länder sind nicht frei, beispielsweise bei der Auswahl des HR-Informationssystems. Wir lösen aktuell SAP HCM schrittweise durch SuccessFactors ab. Die Hälfte der Dräger-Welt wollen wir nächstes Jahr geschafft haben. Auch die Rekrutierungsplattform haben wir zentral vorgegeben. Bei der Abrechnung gehen wir hingegen nicht zentral vor. Da ist es besser, mit lokalen Anbietern zu arbeiten. Wenn es jedoch um unternehmenskulturelle Leitlinien geht, ist alles zentral entwickelt. Auch beim Onboarding neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt es Standards, die wir direkt von Lübeck aus reingeben. Beim Employer Branding und den Grundsätzen von Führung und Zusammenarbeit legen wir ebenso viel Wert auf einen globalen Ansatz.
Intern internationale Mobilität fördern
Im Zuge von Corona hat das Thema internationale Entsendungen nochmals an Bedeutung gewonnen; zuvor war ja schon die Bereitschaft von Beschäftigten ins Ausland zu gehen deutlich gesunken. Und bei Dräger?
Piske: Grundsätzlich wollen wir unsere Diversität unter anderem in Bezug auf die Internationalität bei Dräger weltweit steigern. Wenn Mitarbeitende im Ausland Erfahrungen sammeln können und im Ergebnis einen deutlich internationaleren Blick einbringen, dann entstehen daraus auch bessere Teams und Entscheidungen. Das Expatriate-Geschäft von Deutschland in die Welt läuft bei uns weiterhin, das war nie unterbrochen. Wir machen es aber auch umgekehrt so, dass Leute hierher nach Deutschland kommen, teilweise auch dauerhaft.
Menschen zu finden, die international mobil sind, hat sich gefühlt in den letzten zehn, zwanzig Jahren in der Tat sehr verändert. Wir sind bei Dräger aktuell dabei, auszuarbeiten, wie wir mehr Menschen finden können, die von Deutschland aus einen Auslandseinsatz machen möchten oder umgekehrt zeitweilig oder dauerhaft nach Deutschland kommen. Die Haltung, ich habe keine Lust für eine längere Zeit ins Ausland zu gehen, finde ich persönlich schade. Da kann ich aus eigener Erfahrung berichten: Die sechs Jahre, die ich im Ausland gearbeitet habe, waren unglaublich bereichernd.
Wo setzen Sie bei Dräger an, um die Mobilität zu fördern?
Piske: Incentives sind dabei jedenfalls nicht das Thema, wir sind in den Märkten gut positioniert. Ein Hebel liegt in der Kommunikation, also transparent zu machen, welche Möglichkeiten es gibt, und dafür zu werben. Schnupper- oder projektbezogene Einsätze im Ausland können Lust auf mehr machen. Aber auch die internationale Vernetzung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter per se zu fördern und in Kontakt zu kommen, hilft. Bei der konkreten Besetzung von Stellen internationaler zu suchen, ist ein weiterer Hebel, den wir in der Zukunft noch mehr nutzen können.
Wo steht Dräger, was das Identifizieren von Talenten in den Tochtergesellschaften im Ausland und das Matchen mit offenen Positionen angeht?
Piske: Talente über Landes- oder Funktionsgrenzen hinaus bekannt zu machen, gelingt uns heute nur teilweise. Am besten funktioniert das dort, wo ohnehin crossfunktional und international gearbeitet wird und deshalb bereits starke Netzwerke existieren. Generell ist es nicht einfach, in großen Unternehmen Talentmanagement-Systeme wirklich gut zu gestalten. Vielleicht bringen uns KI-Applikationen da in den nächsten Jahren weiter. Unser heutiges Vorgehen ist nicht perfekt.
Was alle verbindet: Kultur, Führung, Zusammenarbeit
Etwa 7500 Dräger-Mitarbeitende sind in Deutschland beschäftigt, also über die Hälfte im Ausland. Was macht bei diesem Ausmaß an internationaler Ausrichtung Dräger als Gesamtheit aus?
Piske: Zunächst einmal das Privileg einer zutiefst sinnerfüllten Tätigkeit, nämlich Technik zu entwickeln, zu produzieren, zu vertreiben und zu warten, die das Leben von Menschen rettet, schützt oder unterstützt. Da sind wir alle weltweit mit dem Herzen dabei. Sinn erleben die Menschen bei uns hautnah: wenn eine Familie ihre Gefühle beschreibt, wenn ihr Frühchen in einem Dräger-Inkubator überlebt hat oder sich Minenarbeiter weltweit auf die „Drägermen and ‑women“ verlassen können, wenn es unter Tage brenzlig wird. Oder in Coronazeiten, wenn Beatmungsgeräte am Tag ihrer Produktion von Armeeflugzeugen abgeholt und am nächsten Morgen in einem anderen Land im Krankenhaus von Dräger-Mitarbeitenden installiert wurden und weniger als 24 Stunden nach der Produktion Leben retteten.
Dann haben wir als Familienunternehmen in der fünften Generation eine sehr starke Kultur. Zentrale Aspekte sind Vertrauen, Vielfalt, Entwicklung und eine intensive Beziehung zu unseren Kunden. Das ist bei Dräger nicht etwa einer Broschüre entlehnt, das wird hier tatsächlich gelebt – und vom Eigentümer Stefan Dräger verkörpert, sehr glaubwürdig, sehr authentisch. Das schlägt durch – in HR bis hinunter zu unseren HR-Systemen. Bei der Rekrutierung zum Beispiel achten wir weltweit nicht nur auf Fachkompetenz, sondern finden heraus, ob die Leute, die zu uns wollen, auch zu uns passen; also sich begeistern können für unseren Unternehmenszweck „Technik für das Leben“ und das Vertrauen potenziell rechtfertigen, das unsere Kunden in uns setzen, indem sie uns ihr höchstes Gut anvertrauen – nämlich das Leben ihrer Mitarbeitenden oder Kunden.
Ein kultureller Eckpfeiler ist „Richtung geben“. Wie ist das Führungsverständnis von Dräger?
Piske: Zentrales Element unseres Verständnisses von Führung und Zusammenarbeit ist zunächst mal der Aufbau von Vertrauen. Für die Führungskraft heißt das beispielsweise, Entscheidungen auch mal dem Team zu überlassen, Fehlerkultur zu leben, eigene Entscheidungen zu begründen und auch mal hinterfragen zu lassen, offen zu sein fürs eigene Lernen und für Veränderungen. Andere Elemente unseres Leitbilds guter Führung und Zusammenarbeit sind die Förderung der Entwicklung der Menschen bei uns, Vielfalt, Wert für unsere Kunden schaffen und Ergebnisse erzielen. Und schließlich geht es auch darum, klare Ziele zu kommunizieren, die auf die Unternehmensziele einzahlen, und unternehmerisches Denken zu fördern. Das verstehen wir unter „Richtung geben“. Gute Führung und Zusammenarbeit sehen wir als kritischen Erfolgsfaktor für die Entwicklung von Dräger. Unser Leitbild zur Führung und Zusammenarbeit versuchen wir bei Dräger auf der ganzen Welt zu leben. Deswegen sind auch unsere Auswahl-ACs für das Topmanagement weltweit und mit einem starken Fokus auf Führung und Zusammenarbeit standardisiert.
Dräger ist aufgrund seines Unternehmenszwecks auf dem hiesigen Arbeitsmarkt im Bereich Medizin- und Sicherheitstechnik sehr bekannt. Wie erleben Sie die Arbeitsmärkte in anderen Regionen der Welt?
Piske: Dass Kandidatinnen oder Kandidaten sinnerfüllt arbeiten möchten, ist weltweit ein Trend. Daneben spielt etwa in Asien das Thema kurzfristige Karrieremöglichkeiten eine sehr große Rolle. Gehalt und Zusatzleistungen bleiben klassisches Thema – hier bleiben wir nah an den jeweiligen Märkten. Den Trend zu mehr Work-Life-Balance, flexiblen Arbeitszeiten und hybridem Arbeiten sehen wir auch außerhalb von Deutschland in vielen Ländern. In Europa und den Amerikas sind in den letzten Jahren außerdem Diversität, Chancengleichheit und Inklusion auch für Bewerber*innen stärker in den Fokus gerückt. Vieles machen wir davon schon ganz lange, andere Aspekte entwickeln wir jetzt und in der Zukunft weiter. Gleichwohl ist es nicht immer einfach für uns, alle Vakanzen zeitnah zu füllen. Aber insgesamt finden wir weltweit in vielen Bereichen immer noch gut Menschen, die gerne bei uns arbeiten wollen – und die auch bleiben. Unsere Fluktuationsquoten liegen fast überall auf der Welt deutlich unter den jeweiligen lokalen Benchmarks.
Sorge um China-Geschäft
Lassen Sie uns auf ein etwas heikles Thema eingehen: China. Dräger hat hier immerhin etwa tausend Mitarbeitende. Wie geht es für Dräger in diesem Land weiter?
Piske: China ist und bleibt für uns ein wichtiger Markt und Standort für lokale Fertigungs- und Entwicklungstätigkeiten. Wir investieren hier weiterhin in moderne Fertigungstechnologien und ‑prozesse, um eine hohe Produktqualität und Effizienz zu erzielen. Und wir haben in China viele Menschen, die im Vertrieb arbeiten und bei unseren Kunden exzellenten Service leisten. Unsere Lieferketten sind verzahnt mit China und benachbarten Ländern, etwa Taiwan. Und dazu gibt es auch nicht so schnell Alternativen, weder für uns noch für viele andere Unternehmen. Protektionismus wäre sehr schwierig, ebenso eine etwaige Embargo-Politik im Zusammenhang mit einem potenziellen Konflikt zwischen China und Taiwan. Die Folgeeffekte wären aktuell für große Teile der europäischen Wirtschaft desaströs. Die gerade veröffentlichte China-Strategie der Bundesregierung thematisiert zwar die Problematik, enthält aber keinen Umsetzungsplan zur Mitigation dieses Risikos und generell zur Stärkung der Wirtschaftsmacht Deutschlands beziehungsweise Europas als Alternative zu dem seit einigen Jahren anhaltenden deutlichen Ausbau der Wirtschaftsmacht Chinas und auch der USA in der Welt.
Für Dräger ging es in den letzten Jahren anfangend mit Corona rauf und runter, was Umsatz und Ergebnis angeht. Für 2023 erwartet Dräger wieder positive Zahlen. Wie ist vor diesem Hintergrund und angesichts der internationalen Volatilität von Märkten noch so etwas wie strategische Personalplanung möglich?
Piske: Strategische Personalplanung ist vor dem Hintergrund ständiger Änderungen, mit denen auch wir in HR umgehen müssen, zunehmend schwierig. Wir machen Personalplanung auch nicht „globalgalaktisch“, sondern nur für bestimmte erfolgskritische Bereiche, also beispielsweise für den IT-Bereich hier in der Zentrale, wo es übrigens nicht ganz so volatil zugeht. Für abgegrenzte Einheiten kann man das noch gut machen, und durch den Einbau von Szenarien erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, künftige reale Entwicklungen abzubilden.
Mehr Frauen in Führung bringen
Ein weiteres strategisches Personalthema ist für Sie Frauen in Führungspositionen, das sogar auf der Hauptversammlung von Dräger Anfang Mai von Aktionären angesprochen wurde. Was streben Sie an?
Piske: Das ist für uns nicht erst seit heute, sondern schon seit einigen Jahren ein wichtiges Thema, das in der HR-Strategie und in unserem Leitbild zur Führung und Zusammenarbeit verankert ist. Wir wollen ein Arbeitsumfeld schaffen, das allen Mitarbeitenden Chancengleichheit und Entwicklungsmöglichkeiten bietet. Und zwar mit dem besonderen Fokus auf mehr Frauen in Führung, aber auch auf Internationalität und Inklusion.
Bei Frauen in Führung machen wir schon sehr viel, angefangen von der Verankerung im Leitbild und der HR-Strategie. Wir haben die Charta der Vielfalt unterschrieben, sind Mitglied im Gender-Dax-Netzwerk und sind gerade zum zweiten Mal mit dem Prädikat „Total E‑Quality“ ausgezeichnet worden. Es gibt interne Netzwerke und Mentoringprogramme für Frauen. Weiterhin gibt es sehr viele Regelungen, Angebote und Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Aber wir sind noch nicht zufrieden mit dem Ergebnis. Bei Dräger arbeiten weltweit zirka 30 Prozent Frauen und 70 Prozent Männer. Und der Anteil weiblicher Führungskräfte liegt aktuell sogar noch unter 30 Prozent, da liegt also noch viel Arbeit vor uns.
Lassen Sie uns auch bei dem Thema den Bogen zu Ihrer internationalen HR-Arbeit schlagen: Wird das Thema Frauen in Führungspositionen nur von der Zentrale nach außen getragen, oder kommen diesbezüglich auch starke Impulse aus den Regionen?
Piske: Bei dem Thema Frauen in Führung gibt es sehr gute lokale Initiativen, die viel „Drive“ haben – zum Beispiel in Nord- und Südamerika. Da ist viel Offenheit, und Verbesserungen sind geradezu ein Selbstläufer, ohne große zentrale Einsteuerung. In anderen Teilen der Welt gibt es mehr Herausforderungen. Im Nahen Osten zum Beispiel sind die Möglichkeiten für Frauen, zu arbeiten, ja immer noch sehr eingeschränkt. Für die lokalen Organisationen ist dann schon der bloße Eintritt von Frauen ins Unternehmen ein großer kultureller Schritt. In einem solchen Umfeld ist es leider ein langer Weg bis zur ersten erfolgreichen Frau in Führung.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führten Ralf Steuer und Rainer Spies.
Das Interview erschien zuerst in unserem Fachmagazin PERSONALFÜHRUNG 10/2023.
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