70 Jahre ERFA-Jubiläum: Ein Forum des echten Austauschs

Ein Interview mit Dr. Güldem Demirer, HR Consultant & Interim Manager

Manche Netzwerke entstehen aus dem Wunsch nach Status, andere aus der Sehnsucht nach Zugehörigkeit. Die ERFA-Gruppen aber haben in ihrer 70-jährigen Geschichte eine andere DNA: Sie sind ein Forum des echten Austauschs, ein Ort, an dem Wissen zirkuliert und Fragen gestellt werden dürfen, die anderswo ungehört bleiben. Dr. Güldem Demirer ist nicht nur eine erfahrene HR-Consultant und Interim Managerin, sie ist auch seit 5 Jahren Repräsentantin dieses einzigartigen Netzwerks – wer, wenn nicht sie, kennt die heimliche Superpower dieses Netzwerks. Ihre Expertise erstreckt sich über International HR, Transformation, Global Compensation & Benefits, Global Mobility– Felder, die den Pulsschlag von Unternehmen maßgeblich bestimmen.

Für unser Gespräch bewegen wir uns entlang der Metaphern eines Lebenszyklus von 70 Jahren: Jede Dekade steht für eine Phase der Entwicklung, in der eine neue Perspektive ins Zentrum rückt – von der Identität, den Herausforderungen, der persönlichen Verbindung über den individuellen Beitrag bis hin zur Zukunftsfähigkeit der ERFA-Gruppen in einer sich ständig wandelnden Arbeitswelt. Güldem spricht darüber, warum die ERFA-Gruppen nicht nur ein Netzwerk sind, sondern eine Haltung. Warum HR kein reines Zahlenspiel ist, sondern eine Frage des WIE. Und warum der beste Rat oft aus der Reibung entsteht – wenn groß auf klein trifft, bewährt auf neu, Vorsicht auf radikalen Wandel.

“ERFA-Gruppen sind ein Forum des echten Austauschs, ein Ort, an dem Wissen zirkuliert und Fragen gestellt werden dürfen, die anderswo ungehört bleiben.”

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Die ERFA-Gruppen sind vor 70 Jahren aus einer klaren Idee heraus entstanden: Ein Netzwerk aus der Praxis für die Praxis. Güldem – du bist seit nun mehr 5 Jahren eine Repräsentantin von gleich drei ERFA- Gruppen; was macht dieses Konzept heute noch so relevant und anschlussfähig für dich?

Demirer: Ich würde zwei Dimensionen hervorheben.

Erstens: der Faktor Mensch. In einem vertrauensvollen, geschützten Rahmen entsteht ein echter Peer-to-Peer-Austausch – offen, ehrlich und auf Augenhöhe. 

Zweitens: die Faktenqualität. In den ERFA-Gruppen bekomme ich in kürzester Zeit hochrelevante Insights, die ich andernfalls teuer einkaufen müsste – das sage ich als Consultant. Die Aufgabe der Repräsentantin ist für mich eine Herzensangelegenheit – gleichzeitig bleibe ich stets am Puls der Zeit.-. 

Die Teenager-Jahre sind geprägt von der Suche nach Identität. Was hat die ERFA-Gruppen in dieser Phase so anziehend gemacht – und was macht sie bis heute aus?

Demirer: Die Teenager-Analogie passt gut (lacht.). Mit dieser Phase wird eines deutlich: In HR geht es nicht nur darum, was wir tun, sondern vor allem darum, wie wir es tun. Eine Lösung kann auf dem Papier perfekt sein – wenn sie intern nicht verstanden und mitgetragen wird, bleibt sie wirkungslos. In den ERFA-Gruppen liegt der Fokus genau auf diesem wie: Praxisorientierte Lösungen zu finden, die in echten Unternehmen mit diversen Interessensströmungen gut funktionieren.

“In HR geht es nicht nur darum, was wir tun, sondern vor allem darum, wie wir es tun. In den ERFA-Gruppen liegt der Fokus auf dem Wie.”

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Mit den 30ern verändert sich der Blick. Der große Aufbruch tritt in den Hintergrund, die persönliche Verwurzelung rückt in den Vordergrund. Gibt es einen ERFA-Moment, der für dich besonders herausragt?

Demirer: Ich habe ERFA-Gruppen erlebt, die einem Coaching gleichkommen – im besten Sinne. Es wird nicht nur fachlich diskutiert, sondern es werden auch ganz persönliche Erfahrungen geteilt. In diesem geschützten Raum kann man sich trauen, Fragen zu stellen, die sonst unausgesprochen bleiben. Das schafft Vertrauen und echte Weiterentwicklung. Das sind dann die Gänsehaut-Momente. 

Die 40er stehen oft für Wachstum und neue Herausforderungen. HR sieht sich heute mit Themen wie KI und neuen Arbeitszeitmodellen konfrontiert. Wie können Netzwerke wie die ERFA-Gruppen hier Orientierung bieten?

Demirer: Der Reiz liegt in der Vielfalt der Perspektiven. In den Gruppen begegnen sich Unternehmen, die ganz unterschiedlich auf dieselben Herausforderungen blicken. Einige gehen in kleinen, vorsichtigen Schritten vor, andere nehmen radikale Veränderungen in Angriff. Wenn zwischen diesen unterschiedlichen Welten ein echter Austausch entsteht, ist das wie Magie. Groß trifft auf klein, etabliert auf dynamisch. Genau diese Reibung bringt oft die besten Ideen hervor.

“In den Gruppen begegnen sich Unternehmen, die ganz unterschiedlich auf dieselben Herausforderungen blicken. Wenn zwischen diesen unterschiedlichen Welten ein echter Austausch entsteht, ist das wie Magie.”

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In den 50ern richtet sich der Blick stärker auf den eigenen Beitrag. Was lässt sich aus der Philosophie der ERFA-Gruppen für den HR-Alltag mitnehmen?

Demirer: Nicht zu lange im eigenen Kopf kreisen! Wenn ich länger als zehn Minuten an einer Frage festhänge, frage ich mich sofort: Mit wem kann ich mich austauschen? Das spart Zeit und liefert oft neue, unerwartete Impulse.

Mit 60 Jahren schaut man gerne nach vorne. Welche Rolle könnten die ERFA-Gruppen in den nächsten Jahrzehnten spielen?

Demirer: Das Thema KI drängt sich auf. Ich nutze KI regelmäßig – aber ab einer bestimmten Flughöhe wird es generisch. Die Frage, wie man Neuerungen sinnvoll in eine Unternehmenskultur integriert, braucht Erfahrung aus der Praxis. Die ERFA-Gruppen bleiben genau deshalb relevant: Die menschliche Fähigkeit Probleme ganzheitlich zu betrachten und neue Perspektiven zu generieren sind (noch?) nicht durch Algorithmen ersetzbar.

“Wenn ich länger als zehn Minuten an einer Frage festhänge, frage ich mich sofort: Mit wem kann ich mich austauschen?”

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Jenseits der 70 blickt man gerne auf die nächste Generation. Welche Botschaft möchtest du den zukünftigen ERFA-Mitgliedern mitgeben?

Demirer: Jedes ERFA-Treffen ist nur so gut, wie die Teilnehmer diese durch ihre Fragen und Beiträge lenken. Man kann großen Nutzen aus den ERFA-Treffen für die individuelle und berufliche Entwicklung herausziehen. It is up to you!-

Das Wort Erfahrung enthält nicht ohne Grund ERFA und HR. Wenn du für das UNG eine Bedeutung finden müsstest, welche wäre das?

Unerschütterliche-Neu-Gier. Eine Haltung, die wir nicht nur im Alter, sondern in jeder Lebensphase brauchen (lacht)

Das Gespräch führte Dr. Elias Güthlein

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