„Hier ist Personalarbeit bodenständig und wirksam“
Olaf Drillisch-Saathoff, Chief Human Resources Officer von Jenoptik, über HR in Ostdeutschland und „skeptische“ Belegschaften
Jenoptik ist nach der Wende aus dem Kombinat VEB Carl Zeiss Jena hervorgegangen und heute ein globaler Photonik-Konzern. Olaf Drillisch-Saathoff trägt als Chief Human Resources Officer die Verantwortung für die weltweite HR-Arbeit, die er bis 2030 digitalisiert haben will. Entscheidend für den Erfolg von Jenoptik sei es, eine von Anerkennung, Wertschätzung und Dialog geprägte Unternehmenskultur zu gestalten.
Olaf Drillisch-Saathoff ist seit 1. Mai 2024 Chief Human Resources Officer (CHRO) bei Jenoptik. Er verfügt über mehr als 20 Jahre internationale Erfahrungen in der strategischen und operativen Personalarbeit, insbesondere in der Hightech- und Fertigungsindustrie. Zuvor war der in Vorpommern geborene Manager in leitenden HR-Funktionen bei Ebara, GlobalFoundries, KLA-Tencor und Applied Materials tätig. Er ist MBA-Absolvent der Donau-Universität Krems.
Herr Drillisch-Saathoff, zuletzt haben wir vor über zehn Jahren unser Herausgeber-Interview mit dem Personalchef eines ostdeutschen Unternehmens geführt. Bekommt die HR-Arbeit in ostdeutschen Unternehmen zu wenig Aufmerksamkeit?
Fachkräftemangel, Transformation in der Wirtschaft, demografischer Wandel – da wünschte ich mir generell mehr Aufmerksamkeit für Personalarbeit, egal ob in Ost- oder Westdeutschland. Aber in Ostdeutschland ist Personalarbeit noch mal anders. Ostdeutschland ist geprägt von mittelständischen Unternehmen. Für die speziellen Herausforderungen in Ostdeutschland –
also wirtschaftliche Transformation, hohe Arbeitslosigkeit, demografische Schrumpfung und Fachkräfteabwanderung in den 90er-Jahren und jetzt Fachkräftemangel, ein Thema, mit dem wir uns hier schon seit den frühen 2000er-Jahren beschäftigen – finden kleine HR-Teams gute und pragmatische Lösungen, und das sehr bescheiden. Vielleicht erklärt das ein Stück weit die oft geringe Sichtbarkeit, die Sie angesprochen haben. Zudem: Wenn es eine Konzernzentrale in Westdeutschland gibt, dann sitzen die Personaler hier häufig in der zweiten Reihe.
Gibt es so etwas wie eine typische ostdeutsche Personalarbeit vor dem Hintergrund von Belegschaften, die vielleicht auch etwas anders „ticken“ als in Westdeutschland?
In der ostdeutschen Personalarbeit findet man in kleinen HR-Teams sehr viele sehr gute Generalisten. Ihre Arbeit ist geprägt von Pragmatismus und Hands-on-Mentalität. Da ist es eine Herausforderung, für ein bestimmtes HR-Thema einen Spezialisten zu finden. Davon gibt es nur wenige in Ostdeutschland. Kleine HR-Teams und häufig auch Personaler bei Mittelständlern sind nah dran am Business. Das prägt auch meine Personalarbeit, und diese Nähe wünsche ich mir explizit von meinen Leuten, egal ob als HR Business oder Service Partner oder in einem Center of Expertise. Ich wünsche mir, dass Probleme von HR so gelöst werden, dass sie das Unternehmen voranbringen. Ostdeutsche Personalarbeit ist bodenständig und wirksam.
Trotz aller regionaler Unterschiedlichkeit etwa von Menschen, die aus Sachsen, Thüringen oder meiner Heimat Vorpommern stammen, würde ich auch die Belegschaften hier als bodenständig beschreiben – und als skeptisch, was vermutlich auch aus der jüngeren Geschichte herrührt. Und was ich wirklich schätze: Hier in Ostdeutschland zählt Erreichtes und nicht unbedingt das, was jemand über sich erzählt.
Das gefällt mir wirklich an Ostdeutschland, in dem ich ausgeprägter als in anderen Regionen die Betonung von „wir“ und von Zusammenarbeit erlebe und in dem es einen hohen Leistungswillen gibt. Den will ich anderen keineswegs absprechen, aber hier ist der schon sehr fest verankert.
Skepsis als Ausgangspunkt für Innovationen
Was macht eine „skeptische“ Belegschaft aus?
In der wird kritisch nachgefragt, was die Hintergründe für Maßnahmen sind und was wir Manager und Managerinnen damit eigentlich bezwecken wollen. Da geht es nicht um die Arbeitnehmervertretung, da kommen wir ja noch drauf zu sprechen, sondern das kommt unmittelbar aus der Belegschaft. Um kritisch nachfragen und darüber sprechen zu können, bieten wir Foren an, und die werden auch genutzt. Eingeschlagene Wege skeptisch zu hinterfragen, ist im Übrigen eine gute Voraussetzung für Innovationen, die bei uns im Unternehmen eine große Rolle spielen.
In Ostdeutschland hat es lange rumort wegen der unterschiedlichen Verdienstmöglichkeiten in Ost und West, obwohl die Unterschiede volkswirtschaftlich gesehen sehr viel Sinn gemacht haben. Wie ist Jenoptik mit dem Thema umgegangen, und wo stehen Sie aktuell?
Jenoptik hat Ende der 90er-Jahren einen Haustarifvertrag mit der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM) abgeschlossen, was für einiges Aufsehen gesorgt hat. Das hatte sicher seine Berechtigung in dieser Zeit, als das Unternehmen schwierige Zeiten erlebte und auch noch einige Anlaufthemen aus den 90er-Jahren zu bewältigen hatte. Seit 2020 ist Jenoptik mit den Jenaer Gesellschaften wieder im Flächentarif der IG Metall, der stufenweise eingeführt wurde. Das hat uns als Arbeitgeber gestärkt.
Jenoptik hat sich in den letzten Jahren klar positioniert mit Kampagnen wie „Bleib offen“, einer dialogorientierten Unternehmenskultur und einem Kennzahlensystem, in dem die Diversitätsrate fester Bestandteil ist. Gibt es bei Jenoptik in einem Bundesland, in dem die AfD bei der Bundestagswahl 2024 fast 39 Prozent der Stimmen erhalten hat, interne Konflikte zu Themen wie Vielfalt und Internationalität?
Zunächst möchte ich einschieben, dass sich Jena im Wählerverhalten von Thüringen unterscheidet. Aber Unternehmen bilden immer auch den Querschnitt einer Gesellschaft ab, machen wir uns da nichts vor. Ja, es gibt Ängste in der Belegschaft und auch Konflikte und Diskussionen. Wir wollen dem Raum geben und fördern daher den Dialog, zeigen aber zugleich Haltung und positionieren uns. Aber nicht mit erhobenem Zeigefinger und Maßregelungen. Wir sagen einfach, welche Rahmenbedingungen wir als Technologiekonzern benötigen, um erfolgreich zu sein.
Kampagne „Bleib offen“
Diese gelebte und kommunizierte Haltung ist mittlerweile Teil unserer Arbeitgebermarke und fester Bestandteil in Personalgesprächen. Mit unserer Kampagne „Bleib offen“ wollen wir ein innovatives Umfeld schaffen, in dem Vielfalt zählt und, was noch wichtiger ist, Chancengleichheit herrscht und jeder sich eingeladen fühlt, seinen Beitrag zu leisten und seine Meinung einzubringen und zu diskutieren. Wir schreiben niemandem vor, was er oder sie wählen soll. Aber wir zeigen Haltung und unsere Rahmenbedingungen auf, und das kann dann jeder mit seinem eigenen Wertekompass abgleichen und daraus für sich Ableitungen treffen.
2026 finden Betriebsratswahlen statt. Etwa 60 Prozent Ihrer Beschäftigten arbeiten in Jenoptik-Gesellschaften mit gewählten Arbeitnehmervertreter*innen. Befürchten Sie eine Stärkung extremer Kräfte in den Betriebsräten von Jenoptik?
Das kann man nicht ausschließen, ich sehe das aber momentan nicht. Was mich hier positiv stimmt – und da rede ich nicht nur über häufig gewerkschaftlich organisierte Betriebsräte bei Jenoptik: Die Repräsentanten und Verantwortungsträger stehen für dieselben Werte wie wir, sie vermitteln und bauen Brücken in der Organisation. Viele unserer Betriebsräte sind Wahlhelfer, sie setzen ihr Engagement für Demokratie innerhalb des Unternehmens privat und in der Gesellschaft fort. Das stimmt mich positiv, es schützt vor extremen Gedanken, vor Spaltung und Vereinfachung. Ich kann aber nicht vorhersagen, wie die Betriebsratswahlen 2026 verlaufen. Aber mich stimmt wie gesagt die aktuelle Arbeit der Betriebsräte bei Jenoptik und darüber hinaus in Thüringen sehr positiv.
In Thüringen wird 2035 quasi Vollbeschäftigung herrschen. Sie wollen Personen aus dem Ausland den Weg zu Jenoptik ebnen, insbesondere durch internationales Recruiting und mit einem bindungswirksamen Onboarding, was eines Ihrer strategischen HR-Ziele ist. Wie gestaltet sich für Sie die Nachwuchssuche?
Lassen sie mich eins vorwegschicken: Es gibt bei uns sehr viele Maßnahmen in der Region. Es gibt ein gemeinsames Ausbildungszentrum zusammen mit Schott und Zeiss, in dem wir insbesondere Feinoptiker ausbilden und mit dem wir einen großen Teil des Bedarfs an Fähigkeiten decken, den wir in Zukunft haben.
Im Jenaer Bildungszentrum machen wir auch Erwachsenenbildung und Qualifizierungen für spezielle Fähigkeiten rund um Optik, die wir so, wie wir sie benötigen, beim internationalen Recruiting nicht finden. Exzellente Hochleistungsoptiken erfordern ganz spezielle Fähigkeiten, die auch nicht automatisiert werden können. Das ist immer noch feinste Handarbeit.
Aktuell schauen wir auch international, um Azubi-Stellen zu besetzen. Wir sind im Großraum Jena sehr präsent, was Messen und Veranstaltungen an Schulen angeht. Der Kreis derjenigen, die in MINT- oder Technikberufe einsteigen wollen, ist jedoch begrenzt. Deshalb arbeiten wir in Kooperationen, um junge Leute auch außerhalb von Europa für eine Ausbildung in Deutschland zu begeistern. Das ist sehr komplex, wenn Sie einmal daran denken, was alles für eine Ausbildung in Deutschland benötigt wird: Arbeitserlaubnis, einen speziellen Betreuer, wenn die Person noch unter 16 oder 18 ist, eine Unterkunft und so weiter.
Mangelnder Wohnraum als Nachwuchsproblem
Hat die neu geregelte Fachkräfteeinwanderung der vorherigen Bundesregierung Positives bewirkt?
Ja, die Änderungen greifen, und Fachkräfteeinwanderung ist einfacher geworden. Das berichten mir die Kolleginnen und Kollegen, die sich bei uns damit beschäftigen. Aber der Wohnraum im Saaletal ist begrenzt und auch teuer. Wir wollen günstigen Wohnraum für Auszubildende oder für andere anbieten können, die aus dem Ausland zu uns kommen. Wir arbeiten mit der Stadt zusammen, um das möglich zu machen. Was das Recruiting im Ausland angeht, übt unsere bekannte Marke Jenoptik in der „Technologie-Bubble“ eine gewisse Anziehungskraft aus. Und wenn es einmal gelungen ist, die Kollegin oder den Kollegen nach Jena zum Gespräch einzuladen, dann haben wir meistens auch einen Erfolg bei der Anwerbung. Jena als Stadt mit ihrer Kultur und Vielfalt sowie den anderen Technologieunternehmen, die hier in ähnlichen Bereichen arbeiten, machen auch uns attraktiv. Cluster machen jedes Unternehmen attraktiv, das dazugehört. Das stimmt auch für Dresden, wo wir ebenso ein Werk haben.
Mangelnder und teurer Wohnraum ist ein Thema, das Arbeitgeber bewegt und die Fachkräftesicherung stark tangiert. Wie sieht die Zusammenarbeit von Jenoptik mit der Stadt aus?
Das ist am Ende des Tages eine Frage von Netzwerken. Wir setzen uns zusammen mit der Stadt Jena und deren Wohnungsbaugesellschaft, um zu schauen, ob Wohnraum für angehende Mitarbeitende zur Verfügung gestellt werden kann. Und es braucht auch soziale Einrichtungen, die sich um die Betreuung der jungen Leute kümmern, wenn sie noch unter 16 oder 18 Jahre alt sind. Es gibt gute Netzwerke in Jena, und da komme ich wieder zu den Punkten Pragmatismus und Leistungswillen, die hier herrschen. Hier bewegen sich Sachen sehr schnell. Allerdings muss der Beton erst getrocknet sein, damit mehr Wohnraum zur Verfügung steht.
Um bei der Politik zu bleiben: Was erhoffen Sie sich von der Bundesregierung, von der Politik generell?
Was unsere Erwartungen an die Politik angeht, möchte ich zwei Ebenen trennen. Auf einer höheren wünschen wir uns eine klare Haltung gegen Extremismus und politische Polarisierung. Uns hilft am meisten, wenn seitens der Politik klar dargestellt wird, dass wir ein Land für Ingenieur*innen sind, dass wir technologisch herausragend sind und Rahmenbedingungen schaffen, unter denen sich jeder und jede sicher fühlen kann. Sicherlich können wir in Deutschland unbürokratischer werden, das muss ich aber wohl nicht wiederholen. Speziell aus der Jenaer Perspektive gesprochen haben wir neben der Wohnungspolitik Wünsche, was den Nahverkehr angeht. Es ist einfach zu umständlich, aus umgrenzenden Regionen nach Jena zu kommen. Wir zahlen unseren Berufsakademiestudenten oder dem einen oder anderen Azubi in Praxisphasen die Tankfüllung, weil sie außer mit dem Auto keine andere Chance haben, zu uns zu kommen. Da hilft übrigens auch das Deutschlandticket nicht viel – es fährt einfach kein Bus!
Management von Personalkosten
In den Unternehmen ist das Thema Personalkosten aufgrund der konjunkturellen und strukturellen Lage, aber auch transformationsbedingt, wieder sehr aktuell. Wie sieht bei Ihnen nachhaltiges Personalkostenmanagement aus?
Da ist sehr facettenreich, aber ich möchte es einmal plastisch machen. Vor einem Jahr haben wir einen Prozess gestartet, den wir „Hiring Control“ nennen. Wir fordern von jedem Manager, zu analysieren, ob eine frei werdende Stelle wirklich nachbesetzt werden muss oder ob wir die Aufgaben anders verteilen können, weil wir Lernkurven im Team hatten oder wir Dinge einfacher, automatisierter oder digitaler lösen können. Zweiter Schritt: Können wir jemandem intern die Chance geben, sich für eine nachzubesetzende Stelle zu bewerben und dort den nächsten beruflichen Schritt zu gehen? Erst wenn diesem Prüfablauf gefolgt wurde, entscheiden wir uns, extern nachzubesetzen.
Wenn es um das Thema Personalkostenmanagement geht, spielen wir auf der gesamten Klaviatur der Möglichkeiten, konjunkturelle Schwankungen abzufangen. Also mit flexiblen Arbeitszeitmodellen beziehungsweise Zeitkonten, die wir anbieten, und individuellen Lösungen je nach Lebensphase. Mit attraktiven Möglichkeiten binden wir zugleich unsere Fachkräfte. Wir haben zum Beispiel individuelle Arbeitszeitmodelle, die zwar Produktionsleitern das ein oder andere Mal graue Haare wachsen lassen, die aber die Leute an Jenoptik binden, da sie Arbeitszeiten und Schichten im Sinne der Mitarbeitenden maximal flexibilisieren. Das ist zum Beispiel am Standort Dresden, an dem wir mit den Großen der Halbleiterindustrie um Fachkräfte werben, ein echter Vorteil.
Man könnte diese vielfältigen Arbeitszeitmodelle als eine Ausprägung des People-Centricity-Ansatzes sehen, den Sie sich bei Jenoptik zu eigen machen. Inwieweit steht dieser im Widerspruch zu Wachstumsansprüchen des Unternehmens und der Notwendigkeit, individuell Leistung zu erbringen?
Für die Wirtschaft in Deutschland wäre es sicherlich hilfreich, das Arbeitsvolumen zu erweitern. Aber wir müssen uns den Realitäten stellen. Den Wunsch nach Arbeitszeitabsenkung gibt es auch in Teilen der Belegschaft von Jenoptik. Davor können wir die Augen nicht verschließen, und genau deshalb bieten wir diese Flexibilität an und ermöglichen, Arbeitszeit an Lebensphasen anzupassen. Etwa für Eltern mit jüngeren Kindern, um mit einem flexiblen Beginn trotzdem in Schicht arbeiten zu können. Oder Arbeitszeit zu reduzieren und, wenn der Fokus wieder auf das Arbeitsleben gerichtet ist, sie wieder zu erhöhen.
Was verstehen Sie über die Arbeitszeitthematik hinaus unter People Centricity bei Jenoptik?
Individuelle Arbeitszeiten zu ermöglichen, sind ein Zeichen von Anerkennung und Wertschätzung. Unsere Unternehmenskultur ist geprägt von dieser Anerkennung und Wertschätzung und von Offenheit. Deswegen entscheiden sich Mitarbeitende dazu, lange im Unternehmen zu bleiben. Aber auch in unserer digitalen Agenda stellen wir den Mitarbeiterlebenszyklus und entsprechende Prozesse in den Mittelpunkt. Wir wollen angefangen vom Recruiting und Onboarding über Training, Development und Vergütung bis zum Austritt zu hundert Prozent digital sein. Spätestens 2030 hätte ich das hier gerne umgesetzt. Aber ich will es noch einmal sagen: Der wichtigste Aspekt von People Centricity ist für mich eine Unternehmenskultur, die von Anerkennung und Wertschätzung, respektvollem Umgang und Dialog geprägt ist.
Qualifizierungsbedarf in HR
2030 ist bei den raschen Veränderungen, wie wir sie zurzeit erleben, noch lange hin. Was haben Sie in HR-IT konkret noch 2025 und dann 2026 vor?
Das Recruiting machen wir bereits zu hundert Prozent digital, bis auf eine Ausnahme, was mit einem Betriebsrat zu tun hat, der die Betriebsratsanhörung weiterhin auf dem Papier haben möchte. Bis Ende 2025 soll auch das Onboarding, angefangen von der Vertragsunterzeichnung bis hin zum Begrüßungstag und dem Erstellen eines Trainingsplans, komplett digital durchgeführt werden. Und 2026 geht es dann weiter mit dem Thema Skill-Management. Das ist ein Baustein, um Antworten auf den Fachkräftemangel zu geben. Wir wollen strukturiert evaluieren, welche Fähigkeiten wir haben und welche wir brauchen. Lücken sollen über Recruiting und Trainings geschlossen werden.
Sie wollen auch in HR qualifizieren, ein Thema, von dem allgemein aus der HR-Community wenig zu vernehmen ist. Wo sehen Sie bei Ihnen HR-Qualifizierungsbedarf?
Unsere Personalabteilung umfasst rund 40 Kolleginnen und Kollegen und ist weltweit aufgestellt. Strukturell orientieren wir uns am Drei-Säulen-Modell bestehend aus Business Partnern, Experten und Shared Services. Ich bin sehr stolz auf mein Team und den generalistischen Ansatz, gerade bei den HR Business Partnern. Diese kommen bis auf eine Ausnahme aus Ostdeutschland, haben eine generalistische Prägung und agieren wie Personalleiter für Gruppen mit bis zu 1500 Mitarbeitenden und Einheiten mit einem Umsatz von bis zu 500 Millionen Euro. Wo es beim Qualifizierungsbedarf in HR unter den Nägeln brennt, ist bei den Centers of Expertise. Da brauchen wir Expertise etwa für unsere digitale Plattform SAP SuccessFactors oder für Vergütung. An dieses Thema führen wir zum Beispiel Absolventen gerade gezielt mit einem Einarbeitungsplan und Trainings heran. HR-Spezialwissen zu bekommen, ist so etwas wie eine strukturelle Lücke in Ostdeutschland.
Aber was mir noch ganz wichtig ist: Ich erarbeite aktuell in Workshops mit dem HR-Team, was unsere strategische Intention als Personalabteilung bis 2030 bei Jenoptik ist. Es geht darum, zu beschreiben, wozu wir da sind, wofür wir stehen, wo wir als HR hinwollen. Wir wollen ein Kompass sein für die Belegschaft und kommunizieren, wofür wir stehen. Wir beschreiben, wie wir wahrgenommen werden wollen innerhalb des Unternehmens. Es geht um unsere Haltung, Kommunikation und auch darum, wie wir im HR-Team miteinander umgehen. Wichtiger ist allerdings der Umgang mit unseren Leuten in der Belegschaft. Es geht um die Frage, wo machen wir als Jenoptik den Unterschied, was Haltung, Wertschätzung und Umgang angeht.
Wie HR Innovationen unterstützt
Etwa 35 Prozent der Jenoptik-Belegschaft arbeiten im Ausland. Was bedeutet das für die Struktur von HR?
Neben den drei Säulen haben wir regionale HR-Organisationen, zum Beispiel in den USA, in China oder in der Schweiz. Sie betreuen die Teams in den jeweiligen Ländern ebenso mit einem sehr generalistischen Ansatz und jeweils einem Personalverantwortlichen, der je nach Größe der Einheit unterstützt wird. Die HR Business Partner, die für unsere Units zuständig sind, sitzen hier in Deutschland und arbeiten mit den regionalen HR-Partnern zusammen, wenn es um lokale Themen geht, zum Beispiel die Anpassung an rechtliche Vorschriften oder personelle Unterstützung zwischen einzelnen Werken.
Etwa 15 Prozent der Mitarbeitenden von Jenoptik arbeiten im F&E-Bereich. Was heißt das für HR beziehungsweise speziell für Personalentwicklung und die Skills der Zukunft?
Es geht dabei um eine fachliche und eine kulturelle Komponente. Wir pflegen in HR eine enge Kooperation mit dem Innovationsteam von Jenoptik, das sich mit den Märkten und Produkten der Zukunft beschäftigt und damit, welche Fähigkeiten wir brauchen, um die entsprechenden Entwicklungen erfolgreich mitmachen zu können. Wenn wir als Personalabteilung über 80 Prozent der in der Belegschaft vorhandenen Fähigkeiten Auskunft geben können, greifen wir dem Innovationsteam sehr stark unter die Arme beim Suchen nach Fähigkeiten innerhalb des Konzerns. Das bringt sehr viel Licht in die einzelnen Ecken und gibt Auskunft darüber, was wir noch nicht haben und somit ausbilden oder extern rekrutieren müssen. Das ist derzeit noch mit sehr viel Handarbeit verbunden, steht aber auch auf der Agenda der Digitalisierung.
Genauso oder noch viel wichtiger für Innovation ist jedoch, eine Kultur zu schaffen, in der sich jeder einbringen kann. Das muss eine Kultur sein, die alle Dimension von Vielfalt repräsentiert und etwa durch Internationalität neue Perspektiven ins Unternehmen bringt. Jeder soll sich bei Jenoptik eingeladen fühlen, an Prozessen der Innovation teilzunehmen und sich einzubringen. Deswegen kommunizieren wir unsere Haltung und schaffen ein Umfeld, in dem sich unsere Leute sicher fühlen, gemeinsam an Innovationen arbeiten und jeder seinen Beitrag dazu leisten kann.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führten Ralf Steuer und Rainer Spies