L&D beschleunigt die Transformation
Vertrauen ist (nicht) die Voraussetzung für den Einsatz von KI
Künstliche Intelligenz prägt Arbeitsprozesse und verändert Organisationen grundlegend. Studien zeigen eine steigende Nutzung, aber auch Unsicherheiten bei Mitarbeitenden. Vertrauen wird hierbei zum zentralen Faktor für den Erfolg. Wie Organisationen, Learning & Development (L&D) und Führungskräfte KI effektiv einbinden können, beleuchten Wissenschaft und Praxis.
Das Problem
Seit der Einführung von ChatGPT im November 2022 ist Künstliche Intelligenz (KI) aus der Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Keine andere bisherige digitale Applikation hat in vergleichbarer Zeit eine so große Anzahl an aktiven Nutzern erreicht (Hu 2023). Knapp 53 Prozent der Arbeitnehmenden in Deutschland nutzen KI-Anwendungen bereits im Arbeitsalltag, und 73 Prozent erwarten, dass ihre Bedeutung weiter zunimmt (Achenbach et al. 2024). Dennoch herrscht Skepsis: 20 Prozent der Arbeitnehmenden in Deutschland gaben an, dass sie bei der Wahl einer Weiterbildung der KI mehr als ihrer Führungskraft vertrauen, während 28 Prozent unentschlossen sind. Diese Unsicherheiten bremsen die Potenziale von KI. Daher lohnt es sich, einen Blick auf die Anwendung von KI unter dem Gesichtspunkt von Vertrauen zu werfen. Denn ohne Vertrauen bleibt KI ungenutzt, statt Arbeitsprozesse zu bereichern und Effizienzgewinne zu realisieren. So weisen auch Murray et al. (2021) darauf hin, dass die vierte industrielle Revolution nicht nur Automatisierung, sondern auch neue Formen der Mensch-Maschine-Zusammenarbeit erfordert. Dies lässt die Personalentwicklung ins Rampenlicht rücken und eine ganz neue Rolle in Organisationen zukommen (Schmitz / Foelsing 2024). Lernen und Zusammenarbeit werden zum entscheidenden Faktor für die Gestaltung von Transformation und tragen so zur Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen bei.
Die Wissenschaft
Die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine, auch „Hybride Intelligenz“ genannt, bietet großes Potenzial. KI-Systeme analysieren Daten, geben Empfehlungen und treffen Entscheidungen (Europäische Kommission 2022). Sie agieren als digitale Co-Worker und entlasten Teams durch menschenähnliche Kommunikation, wie Sowa und Przegalinska (2020) am Beispiel von ChatGPT zeigen. Wie produktiv diese Zusammenarbeit ist, hängt von der Einstellung der Menschen ab. Dang und Liu (2022) betonen, dass ein „Growth Mindset“ KI als Chance sieht, während ein „Fixed Mindset“ KI eher als Konkurrenz empfindet. Seufert und Meier (2023) unterstreichen, dass Vertrauen und eine positive Haltung entscheidend für den Erfolg hybrider Intelligenz sind. Organisationen müssen eine technologiezugewandte Kultur etablieren, um Unsicherheiten abzubauen und Synergien zu schaffen.
Die Praxis
L&D spielt eine Schlüsselrolle, um Vertrauen in KI aufzubauen und Mitarbeitende zu befähigen. Laut Schmitz und Foelsing (2024) sowie Seufert und Meier (2023) umfasst dies drei zentrale Aufgaben:
1. KI-Anwendungen als Lernbegleitung: Mitarbeitende müssen befähigt werden, kontinuierlich und nachhaltig zu lernen. KI-gestützte Chatbots ermöglichen eine Eins-zu-Eins-Lernbegleitung, die individuelles Vorwissen, Präferenzen und Bedürfnisse berücksichtigt. Dies fördert nachhaltige Lernerfolge und stärkt digitale Kompetenzen wie effektives Prompting.
2. Transformation von L&D: L&D muss datengetriebener werden, etwa durch KI-gestützte Analysen von Lernbedarfen und Erfolgsmessungen. Gleichzeitig ist eine klare Lernstrategie erforderlich, die von einer positiven Lernkultur getragen wird.
3. Förderung von Vertrauen: Die Kollaboration zwischen Mensch und Maschine wird zu einem zentralen Wettbewerbsvorteil für Organisationen. Die Personalarbeit macht es sich zur Aufgabe, die digitalen Kompetenzen der Mitarbeitenden aufzubauen und so die Akzeptanz und das Vertrauen in KI-Anwendungen zu fördern.
Der Einsatz von KI erfordert Vertrauen und eine technologiepositive Haltung. Studien zeigen, dass Organisationen, Führungskräfte und L&D gemeinsam die Voraussetzungen für eine produktive Zusammenarbeit von Mensch und Maschine schaffen müssen (Seufert / Meier 2023). Mit klaren Rahmenbedingungen und gezielter Weiterbildung wird KI zum Partner für Transformation und Wettbewerbsfähigkeit.
Dr. Katherina Peet, Senior Consultant bei der Transformationsberatung HRpepper, Berlin katherina.peet@hrpepper.de
Literatur
Achenbach, M. et al. (2024): Weiterbildung 2024: Alles nur KI?, Studie der Bitkom Akademie & HRpepper
Dang, J. / Liu, L. (2022): Implicit theories of the human mind predict competitive and cooperative responses to AI robots, in: Computers in Human Behavior, 134; doi.org/10.1016/j.chb.2022.107300
Europäische Kommission (2022): Ethische Leitlinien für Lehrkräfte über die Nutzung von KI und Daten für Lehr- und Lernzwecke, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, Luxemburg; https://data.europa.eu/doi/10.2766/494
Hu, K. (2023): ChatGPT sets record for fastest-growing user base – analyst note; www.reuters.com/technology/chatgpt-sets-record-fastest-growing-user-base-analyst-note-2023-02-01
Murray, A. / Rhymer, J. / Sirmon, D. G. (2021): Humans and technology: Forms of conjoined agency in organizations, in: Academy of Management Review, 46 (3), 552-571; doi.org/10.5465/amr.2019.0186
Schmitz, A. / Foelsing, J. (2024): Wohin sich die Personalentwicklung bis 2030 entwickeln wird, in: Personalmagazin 9
Seufert, S. / Meier, C. (2023): Hybride Intelligenz: Zusammenarbeit mit KI-Assistenzsystemen in wissensintensiven Bereichen, in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik, 60, 1194–1209; doi.org/10.1365/s40702-023-01012-9
Sowa, K. / Przegalinska, A. (2020): Digital coworker: Human-AI collaboration in work environment, on the example of virtual assistants for management professions, in: Przegalinska A. et al. (Hg.): Digital transformation