Pressemitteilung: Zwischen Fachkräftemangel und Strukturwandel

DGFP-Frühjahrsempfang diskutiert Wege für die Arbeitsmarktpolitik von morgen

Berlin, 29. April 2025 – Unter dem Leitthema „Arbeitsmarktpolitik von morgen – Perspektiven für die Arbeitswelt der Zukunft“ trafen sich gestern rund 100 Gäste und VertreterInnen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Sozialpartnerschaft zum Frühjahrsempfang der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP). In den Räumlichkeiten der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ GmbH) in Berlin diskutierten sie gemeinsam drängende Fragen rund um den Wandel des Arbeitsmarkts.  

Im Zentrum der Veranstaltung stand eine Paneldiskussion, die sich mit den vielschichtigen Entwicklungen am deutschen Arbeitsmarkt auseinandersetzte.  

„Unternehmen wie Beschäftigte stehen angesichts von Fachkräftemangel, geopolitischen Krisen, wirtschaftlicher Unsicherheit und Klimawandel unter erheblichem Druck. Gleichzeitig wandelt sich unsere Arbeitswelt grundlegend: Neue Formen der Zusammenarbeit entstehen, Unternehmenskultur wird neu definiert – und all das vor dem Hintergrund eines zunehmend polarisierten politischen Klimas. Diese Herausforderungen und Chancen stehen im Mittelpunkt unseres Frühjahrsempfangs, bei dem wir gemeinsam Perspektiven und Lösungsansätze diskutieren wollen”, sagte DGFP-Geschäftsführer Ralf Steuer. 

Ein Arbeitsmarkt zwischen Mangel und Umbruch 

Die Diskussion unter der Moderation von Annika Sasse-Röth, Leiterin Marketing und Öffentlichkeitsarbeit bei der DGFP, offenbarte ein vielschichtiges Bild: Während Vertreter aus Unternehmen wie Markus Fink, CHRO und EVP von Infineon und Sylvia Borcherding, CCO und Arbeitsdirektorin von 50Hertz und DGFP-Vorstandsmitglied, ihre Strategien zur Fachkräftesicherung kommunizierten, rückte Daniel Terzenbach (Bundesagentur für Arbeit, DGFP-Vorstandsmitglied) die systemischen Herausforderungen wie den demografischen Wandel und die Reform der Berufsbilder in den Fokus. Unternehmen stehen oft gleichzeitig vor der Herausforderung, Stellen abzubauen und neue Fachkräfte aufzubauen. Wie komplex diese Aufgabe ist, machte Terzenbach deutlich: „Es gibt nicht DEN Arbeitsmarkt – sondern viele lokale und regionale.“  

Zugleich mangelt es in vielen Regionen an Auszubildenden – oder gar an der Bereitschaft junger Menschen, sich überhaupt für eine Ausbildung zu entscheiden. Terzenbach forderte daher einen Fokus, die Starrheit von Berufsbildern zu lockern. „Die zentrale Frage lautet: Wie schnell lassen sich etablierte Berufsbilder an die Anforderungen von heute und morgen anpassen.“ Hier seien nicht nur Unternehmen, sondern auch die Politik gefragt. Diese müsse bestehende Berufsprofile modernisieren und Auswahlverfahren flexibler gestalten. Entscheidend sei es, stärker auf individuelle Fähigkeiten, statt auf formale Abschlüsse zu achten – auch, um gesteuerte Zuwanderung wirksam zu ermöglichen.  

Auch Anja Piel, Mitglied des geschäftsführenden Vorstands des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), unterstrich: “Wir müssen genauer auf die Skills schauen – nicht nur auf die Noten.“  

KI und ein neues Selbstverständnis von HR 

Den Begriff des Fachkräftemangels griff Prof. Dr. Julia Klier, Senior Partner bei McKinsey, bewusst kritisch auf: „Eigentlich haben wir einen Mangel an Zukunftsfähigkeiten.“ Sie forderte, sogenannte „Future Skills“ deutlich stärker in den Fokus zu rücken. Digitale Tools und KI könnten im Skill-Management einen entscheidenden Beitrag leisten – vorausgesetzt, sie werden sinnvoll eingesetzt. „KI kann nicht nur administrative Prozesse automatisieren und Bürokratie beherrschbar machen. Sie kann auch dabei helfen, Mitarbeitende gezielter und schneller zu qualifizieren – die Technologien sind längst vorhanden, sie müssen nur skaliert werden“, so Klier.  

„Wir erleben eine der besten Zeiten, zu der sich HR positionieren kann“, sagte Markus Fink, „unter anderem, um die Digitalisierung voranzutreiben“. Diese Aufgabe bezeichnete Markus Fink als „transaktionales Monster“. HR kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Das unterstrich auch Sylvia Borcherding: „HR muss die Strukturen hinter KI erkennen und kritisch hinterfragen können. Dazu braucht es technisches Verständnis und ethisches Bewusstsein.“ Denn nicht jede technische Möglichkeit sollte automatisch auch genutzt werden.  Anja Piel (Deutscher Gewerkschaftsbund) betonte die Notwendigkeit, die Bedingungen von Arbeit zu überprüfen, um Menschen in der Transformation mitzunehmen:  “Transformation kann keine Kahlschlagpolitik sein. Wir müssen die Menschen mitnehmen, die Lust haben, ihr Unternehmen mitzugestalten,“ so Piel. Eine wichtige Rolle dabei spielen vor allem die Führungskräfte, wie Borcherding hervorhob: „Für das Leuchten in den Augen der Mitarbeitenden ist die Führungskraft verantwortlich. Wir müssen sie dahin bringen, dass sie den Purpose bei den Mitarbeitenden anzünden.“ 

Am Ende bleibt die Aufgabe, Technologie und Mensch in Einklang zu bringen. Oder wie es Frank Specht, Korrespondent für Wirtschaft & Politik beim Handelsblatt, formulierte: „Arbeit muss mehr Lust als Last sein – für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber.“  

Der Wunsch an die Politik 

Abschließend formulierten die Panel-Teilnehmenden konkrete Wünsche an die neue Bundesregierung. Vor allem der Bürokratieabbau durch Digitalisierung und gezieltere Investitionen in das Bildungssystem gehörten zu den Forderungen. Mit Blick auf die neue Bundesregierung und den Koalitionsvertrag formuliert Specht die Forderung: “Alles was Arbeit schafft, sollte vorangetrieben werden.” 

Der DGFP-Frühjahrsempfang zeigte einmal mehr: Die Situation auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft ist komplexer denn je. Dieser Komplexität kann nur durch frühzeitigen, offenen Dialog zwischen Praxis und Politik begegnet werden – mit einem klaren Blick für Realität, Reformbedarf und die gemeinsame Verantwortung aller Akteure.