„Die Familie prägt die Kultur“

Martina Gieg, Group People Officer der Heraeus Group, über Vielfalt in einem Unternehmen mit 365 Jahren Tradition
Über HR-Learning-Fridays bis hin zu D&I-Champions – die Heraeus Group setzt Innovationen im Personalmanagement um. Das globale Familienunternehmen mit Stammsitz in Hanau deckt viele Geschäftsfelder weltweit ab. Dr. Martina Gieg, Group People Officer und Mitglied im Group Management Committee, sorgt dafür, dass dies reibungslos gelingt.
Dr. Martina Gieg hat Betriebswirtschaft in Mannheim und Trier studiert und in Volkswirtschaftslehre promoviert. Sie war in der Unternehmensberatung und bei der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung tätig. 2014 kam sie als Projektleiterin für eine globale HR-Transformation zu Heraeus. Danach hatte sie Führungsrollen innerhalb und außerhalb der HR-Organisation inne. 2022 hat sie die Position als Group People Officer und Mitglied des Group Management Committee der Heraeus Holding eingenommen und ist seit Mitte 2024 auch für Group Communications verantwortlich.
Frau Dr. Gieg, Sie waren bei der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung tätig. Übrigens war die mir bisher unbekannt. Was hat Sie 2014 bewogen, zu Heraeus zu wechseln?
Dr. Martina Gieg Sie sind nicht die Einzige. Viele Menschen kennen diese Bundesanstalt nicht mehr, die in der BaFin und der Finanzagentur aufgegangen ist. Was hat mich zum Wechsel zu Heraeus bewogen? Zum einen fand ich attraktiv, dass Heraeus das Thema Personal strategisch wahrnimmt. Mich hat es gereizt, nach der Zeit in der Finanzdienstleistung und zuvor im internen Consulting der Commerzbank in ein globales Familienunternehmen wechseln zu können. Zum anderen haben mich die Menschen begeistert, die ich im Recruiting-Prozess kennengelernt habe.
Wie unterscheidet sich die Unternehmenskultur von Heraeus etwa von der einer Bank oder einer Bundesanstalt?
Gieg Heraeus zeichnet sich für mich dadurch aus, dass wir sehr unternehmerisch handeln und sehr schnell entscheiden. Gleichzeitig steht eine langfristige Perspektive dahinter.
Was macht eine solche langfristige Perspektive aus?
Gieg Heraeus feiert dieses Jahr seinen 365. Geburtstag, wir steuern gedanklich schon auf die 400 Jahre zu. Was müssen wir tun, um diesen langfristigen Erfolg fortzusetzen? Die langfristige Perspektive spiegelt sich in dem wider, wie Menschen hier Dinge vorantreiben, nämlich unternehmerisch und agil.
“Die langfristige Perspektive spiegelt sich in dem wider, wie Menschen hier Dinge vorantreiben, nämlich unternehmerisch und agil.”
-
Gemeinsamer Nenner
Die Heraeus Group ist sehr heterogen. Wie schaffen Sie es, eine gemeinsame Unternehmenskultur in den verschiedenen Geschäftsbereichen umzusetzen, und das international?

Gieg Unsere Plattformen im Bereich Healthcare, Semiconductor & Electronics, Industrials sowie Metals & Recycling sind vom Geschäft her sehr unterschiedlich, was sich auch in den Kulturen widerspiegelt. Wir wollen bewusst zulassen, dass unsere Geschäfte ihre Kulturen für sich prägen und ihre eigenen Stärken ausspielen. Aber es gibt auch einen gemeinsamen Nenner mit der Heraeus-Vision und unseren Prinzipien. Praktisch zeigt sich das etwa in der Entwicklung der gemeinsamen Arbeitgebermarke in den vergangenen eineinhalb Jahren.
Das Employer-Branding-Konzept ist wichtig, da der Fachkräftemangel ein Thema ist, das uns alle beschäftigt. Und das unabhängig davon, in welchem Business, und unabhängig davon, in welchem Land.
“Praktisch zeigt sich das etwa in der Entwicklung der gemeinsamen Arbeitgebermarke in den vergangenen anderthalb Jahren.”
-
Ich kann mir vorstellen, dass man in Hanau sagt: „Ich schaff bei Heraeus.“ Gilt das auch für einen Gesundheitsexperten in den USA oder eine Technikerin in China?
Gieg Die Entwicklung der Arbeitgebermarke war kein hanauzentriertes Projekt, sondern ein globales Projekt, an dem wir mit den Mitarbeitenden und Führungskräften weltweit gearbeitet haben. Insofern steht es auch für unsere Kolleginnen und Kollegen in China. Auf unserer Website finden Sie Beiträge und Testimonials aus der ganzen Welt.
Die Welt nicht neu erfinden
Neben der Unternehmenskultur ist auch die Governance wichtig. Wie kann man Einheitlichkeit in globalem Rahmen schaffen? Das beginnt bei Aufhebungsverträgen und Interessensausgleichslösungen, bei denen etwa die gleichen Abfindungsregelungen getroffen werden. Was ist da Ihre Philosophie?
Gieg Die Vereinheitlichung per se hat keinen eigenen Mehrwert. Uns ist es wichtig, dass die einzelnen Geschäfte so für sich agieren können, wie sie es müssen, um erfolgreich zu sein. Natürlich kann man auch gemeinsame Rahmen schaffen. Wenn es eine gemeinsame Abfindungsregelung in Deutschland gibt, ist es für jeden einfacher, weil er die Welt nicht neu erfinden muss. Wir haben IT-Systeme, die alle nutzen. Alles zu zentralisieren, ist aber nicht der Selbstzweck, sondern wir wollen Raum geben, damit die Geschäftseinheiten für sich agieren können.
“Uns ist es wichtig, dass die einzelnen Geschäfte so für sich agieren können, wie sie es müssen, um erfolgreich zu sein. Natürlich kann man auch gemeinsame Rahmen schaffen.”
-
Heraeus ist nicht nur ein globales, sondern auch ein Familienunternehmen. Welchen Einfluss übt die Familie Heraeus auf das alltägliche Geschäft aus?
Gieg Die Familie prägt auch die Kultur, über die wir gerade gesprochen haben, vor allem die langfristige Perspektive und Nachhaltigkeit im Sinne davon, dass Dinge für eine längere Zeit erfolgreich sein sollen. Die Familie prägt diese Kultur, indem sie diese Identität und Werthaltung kommuniziert.
“Die Familie prägt diese Kultur, indem sie diese Identität und Werthaltung kommuniziert.”
-
Vielfalt und Gleichstellung
Ein Aspekt der Nachhaltigkeit ist die soziale Nachhaltigkeit, dazu gehören Diversität und Inklusion. Wie setzen Sie diese in einem globalen und heterogenen Unternehmen um?
Gieg Wir brauchen Vielfalt, denn wir sind erfolgreich, wenn wir innovativ bleiben. Jedoch hilft die Vielfalt uns nur, wenn wir ein Umfeld schaffen, in dem sie sich entfalten kann. Die Voraussetzungen dafür sind eine wertschätzende Kultur und Arbeitsumgebung. Wie das konkret aussehen kann, hängt wiederum von unseren einzelnen Geschäften ab, die unterschiedliche Ideen umsetzen, von denen dann die gesamte HR-Community profitiert, indem wir voneinander lernen. So entstand unter anderem das Modell der D&I Champions, das in einer Einheit eingeführt wurde.
“Wir brauchen Vielfalt, denn wir sind erfolgreich, wenn wir innovativ bleiben. Jedoch hilft die Vielfalt uns nur, wenn wir ein Umfeld schaffen, in dem sie sich entfalten kann. Die Voraussetzungen dafür sind eine wertschätzende Kultur und Arbeitsumgebung”
-
Was sind die D&I Champions?
Gieg Die Champions sind MultiplikatorInnen für das Thema. Mitarbeitende wurden dazu aufgerufen, sich als Champion für das Thema D&I im Unternehmen zu bewerben. Die Initiative soll zeigen, dass die Diversity-Strategie keine HR-Initiative ist, sondern ein Kulturthema, ein Führungsthema. Tatsächlich haben sich mehr Interessierte gemeldet als gedacht. Entstanden ist ein Team von D&I-Champions, das gemeinsam Themen entwickelt, die wir in der Organisation vorantreiben wollen.
“Die Initiative D&I Champions soll zeigen, dass die Diversity-Strategie keine HR-Initiative ist, sondern ein Kulturthema, ein Führungsthema.”
-
Die Sozialpartner gehen bei den Ideen und Impulsen alle mit?
Gieg Das ist sicherlich ein deutsches Thema, keine Frage. Aber der Dialog mit den Betriebsräten ist im deutschen Umfeld sehr wichtig. Das bietet aus meiner Sicht eine Chance, Dinge gemeinsam zum Laufen zu bringen. Wenn ich das Thema Diversity nehme, würde ich sagen, dass es sehr positiv wahrgenommen wird.
Um Vielfalt zu realisieren, benötigen Sie die entsprechenden Mitarbeitenden. Wie schaffen Sie es, etwa mehr Frauen für eine Tätigkeit in Ihrem Industrieunternehmen zu begeistern?
Gieg Rollenvorbilder sind sehr wichtig. Ich bin der Überzeugung, dass man aufzeigen muss, dass es geschlechtsunabhängig spannende Aufgaben gibt. Wir haben bei Heraeus viele erfolgreiche Frauen, die in technischen Berufen ihre Karrierewege beschreiten. Eine junge Kollegin etwa, die als Führungskraft in der Produktion erfolgreich ist, wurde Markenbotschafterin in unserer neuen Employer Branding-Kampagne. Damit ist sie sichtbar – und es gibt noch weitere tolle Rollenvorbilder.
Die Zustimmung steigt
Sie machen regelmäßig Umfragen über die Zufriedenheit der Mitarbeitenden. Wie sind die Ergebnisse?

Gieg Die Umfragen sind für uns der Startpunkt, um die richtigen Schwerpunkte zu setzen. Jedes Geschäft macht die Umfragen für sich, insofern sind die Anregungen nicht einheitlich. Ein wichtiges Thema für alle ist der Punkt Führungskräfteentwicklung. Entsprechend haben wir neue Formate aufgesetzt, beispielsweise Trainings zu psychologischer Sicherheit oder inklusiver Führung. Wichtig ist der Dialog – man muss den Mitarbeitenden aufzeigen, dass man die Ergebnisse ernst nimmt. Daher folgt auf die Umfrage ein Prozess, in dem in jeder Einheit Führungskräfte und Mitarbeitende über die Ergebnisse sprechen und erarbeiten, was man verbessern könnte. Das Schöne ist, dass die Umfragen Fortschritte zeigen.
ESG so wichtig wie Finanzen
Wir beobachten zunehmend, dass institutionelle Investoren weniger Wert darauf legen, wie das Unternehmen aufgestellt ist und welche KPIs sie anwenden. Stattdessen möchten sie wissen, was darüber hinaus im HR-Bereich und im Rahmen von ESG getan wird. Darin sehe ich eine Chance für die HR-Abteilung. Spielt aus Ihrer Sicht HR eine immer größere Rolle?
Gieg Es hat mich gereizt, bei Heraeus anzufangen, weil die HR-Abteilung damals schon als strategisch relevant für das Unternehmen aufgefasst wurde. In allen Führungsgremien und ‑ebenen ist das Thema prominent vertreten. Es benötigt kein Marketing im Unternehmen, um die strategische Relevanz von HR hervorzuheben.
“In allen Führungsgremien und ‑ebenen ist das Thema prominent vertreten. Es benötigt kein Marketing im Unternehmen, um die strategische Relevanz von HR hervorzuheben.”
-
Als Unternehmen sind wir verpflichtet, Nachhaltigkeitsberichterstattung umzusetzen. Diese gewinnt zunehmend eine ähnliche Bedeutung wie die klassische Finanzberichterstattung. Daher prüfen wir, worüber wir berichten können, insbesondere aus dem Bereich People & Culture. Denn hier passiert viel Positives.
Nennen Sie ein Beispiel?
Gieg Wir arbeiten bereits seit Jahren erfolgreich im Bereich Talentmanagement daran, Potenzialträger gezielt zu fördern. Heute können wir mehr als 60 Prozent unserer Topführungskräfte intern besetzen. Eine weitere Facette, die wir letztes Jahr in den Fokus genommen haben, ist das Stichwort Innovation. Es wird immer wichtiger, Karrierewege außerhalb der klassischen Führungskarriere anzubieten. Alle unsere Einheiten haben daran gearbeitet, eine Fach- oder Expertenkarriere im Bereich Innovation zu etablieren und voranzutreiben.
Aus HR-Sicht hat die Coronapandemie tiefgreifende Veränderungen in der Arbeitswelt bewirkt. Eine davon ist das mobile oder hybride Arbeiten. Die Nachfrage ist enorm hoch. Inwieweit können Sie das als Industrieunternehmen umsetzen?
Gieg Im Shopfloor geht es eher darum, wie ich die Tätigkeiten dort zukunftsfähig aufstellen kann. Wie kann es reizvoll sein, in der Produktion tätig zu sein, wenn es dort naturgemäß schwieriger ist, mobil oder hybrid zu arbeiten? Wie kann man Schichtmodelle oder Arbeitszeitgestaltung in der Produktion flexibler aufsetzen? Welche Bedürfnisse liegen dahinter? Ich muss verstehen, welche Wünsche die Mitarbeitenden haben. Wir arbeiten noch daran, Lösungen zu finden, die es jedem ermöglichen, flexibel etwa auf Bedürfnisse seiner Familie zu reagieren.
“Ich muss verstehen, welche Wünsche die Mitarbeitenden haben. Wir arbeiten noch daran, Lösungen zu finden, die es jedem ermöglichen, flexibel etwa auf Bedürfnisse seiner Familie zu reagieren.”
-
Das ist gleichzeitig ein Beitrag zur Arbeitgeberattraktivität. Wir haben trotz der kürzlichen Rezession immer noch einen Fachkräftemangel. Spüren Sie diesen Fachkräftemangel? Wenn ja, in welchen Bereichen?
Gieg Durch die Abkühlung der Wirtschaft, die wir an einigen Standorten erleben, ist er nicht mehr so eklatant wie in den vergangenen drei Jahren. Man muss jedoch realistisch sein und sich an den demografischen Wandel erinnern, der uns in vielen Ländern begegnet, in denen wir aktiv sind. Welche Profile wir suchen, unterscheidet sich nach Geschäft und auch Region, aber in allen Märkten ist es eine Herausforderung, Mitarbeitende für die Produktion zu finden.
Wie gehen Sie die Herausforderung an?
Gieg Wenn wir auf Deutschland schauen, ist unsere duale Ausbildung für uns einer der vielen Hebel. Hier können wir Mitarbeitende frühzeitig für uns gewinnen und entwickeln. Wir haben unglaublich viele erfolgreiche Beispiele von Mitarbeitenden, die als Auszubildende bei uns eingestiegen sind und ihren Weg bei Heraeus gehen konnten.
TikTok, Instagram und Schule
Die Geschichten der Rollenvorbilder müssen auch verbreitet werden. Wie erreichen Sie die junge Generation? Machen Sie TikTok-Videos?
Gieg Wir haben die sozialen Medien in den Blick genommen und haben schon länger unseren eigenen Instagram-Account. TikTok haben wir getestet – aber als Kanal für uns verworfen, da er zu sehr das Thema Freizeit adressiert und weniger die Berufswahl. Wir sind aber davon überzeugt, dass es wichtig ist, den persönlichen Kontakt zu suchen. Das beginnt bei Besuchen in Schulen und auf Ausbildungsveranstaltungen. Dort vermitteln wir im persönlichen Gespräch und unter Einbindung unserer aktuellen Auszubildenden, warum es attraktiv ist, bei uns eine Ausbildung zu beginnen.
Sie haben ein Ausbildungskonzept, das sich Lernen im Dialog nennt. Was ist das?
Gieg Lernen im Dialog machen wir schon seit vielen Jahren, es ist sehr erfolgreich. Wir möchten auf Augenhöhe mit den Auszubildenden zusammenarbeiten. Es geht darum, nicht nur Fachinhalte zu vermitteln, sondern auch Methodenkompetenz, persönliche Kompetenz und Sozialkompetenz.
“Wir möchten auf Augenhöhe mit den Auszubildenden zusammenarbeiten. Es geht darum, nicht nur Fachinhalte zu vermitteln, sondern auch Methodenkompetenz, persönliche Kompetenz und Sozialkompetenz.”
-
Die AusbilderInnen, die wir LernbegleiterInnen nennen, sind sehr stark als Coaches unterwegs und unterstützen die Auszubildenden, die eigene Projekte bekommen, die sie eigenständig bearbeiten. Wenn ich mit unseren Auszubildenden spreche, sehe ich, wie stolz sie auf diese Projekte sind.
Zukunft von HR
Wie gewährleisten Sie, dass HR bei Heraeus zukunftssicher aufgestellt ist?
Gieg Wie zuvor erwähnt, ist HR als strategische Funktion bei Heraeus auf der obersten Ebene präsent. Das ist eine wunderbare Positionierung, an der wir aber kontinuierlich arbeiten müssen, um sie zu behalten. Das heißt, dass es uns wichtig ist, in jeder operativen Einheit Teil des Leitungsteams zu sein. Wenn es um die inhaltliche Weiterentwicklung geht, haben wir unsere HR-Community, in der wir uns austauschen, Best Practices teilen und voneinander lernen. Unsere Center of Competence arbeiten gemeinsam mit den operativen Einheiten an neuen Konzepten, beispielsweise zu Vergütung oder Talententwicklung. Auch das Thema Lernen stellen wir bewusst in den Vordergrund, denn wir sind selbst Führungskräfte, die entsprechend vorleben müssen, dass eine Organisation sich ständig weiterentwickeln muss. Ein konkretes Beispiel ist der HR-Learning-Friday. Dieser Termin wird global in alle Kalender gesetzt, um Raum zu schaffen, sich mit neuen Themen und Konzepten zu beschäftigen.
“Wenn es um die inhaltliche Weiterentwicklung geht, haben wir unsere HR-Community, in der wir uns austauschen, Best Practices teilen und voneinander lernen. Unsere Center of Competence arbeiten gemeinsam mit den operativen Einheiten an neuen Konzepten”
-
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für HR in den nächsten Jahren?
Gieg Unser Umfeld ist wie noch nie zuvor von Unsicherheit geprägt, wohin die Reise geht, sowohl geopolitisch als auch wirtschaftspolitisch. Daher müssen wir die Themen Agilität und Reaktionsschnelligkeit weiterhin betonen. Ein inhaltliches Thema würde ich besonders hervorheben, und das ist die Digitalisierung. Da haben sich in den letzten Wochen mit DeepSeek wieder neue Entwicklungen gezeigt. Diese müssen wir zuerst einmal begreifen. Ich bin der Überzeugung, dass man die Reise auf alle Fälle aktiv mitgehen muss, anstatt nur zuzuschauen. Ansonsten wird man abgehängt.
Digitalisierung und Individualisierung
Wie kann man das konkret angehen?
Gieg Wir haben bei Heraeus einen eigenen KI-Assistenten entwickelt, der mit der Funktion von ChatGPT vergleichbar ist. Wir haben uns in HR damit auseinandergesetzt: Wo finden wir relevante Use Cases, die den Führungskräften, den Mitarbeitenden oder uns in HR das Arbeiten erleichtern?
“Wir haben bei Heraeus einen eigenen KI-Assistenten entwickelt (...). Wir haben uns in HR damit auseinandergesetzt: Wo finden wir relevante Use Cases, die den Führungskräften, den Mitarbeitenden oder uns in HR das Arbeiten erleichtern?”
-
Ich glaube, da werden Umbrüche auf uns zukommen, die heute noch nicht greifbar sind. Ein weiterer Trend ist die Individualisierung. Ein Beispiel ist unsere neue Karrierewebseite, die es Talenten erlaubt, individuelle Favoriten zu setzen. Auch das Thema Expertenkarriere zahlt darauf ein, die individuellen Bedürfnisse stärker in den Blick zu nehmen.
HR wird ja insbesondere vom Management häufig vorgeworfen, dass es sich dadurch verschlankt habe, Prozesse an das Management abgegeben zu haben. Wie stehen Sie dazu?
Gieg Ich muss schmunzeln, wenn Sie diesen Vorwurf ansprechen, dass aus Sicht der Führungskraft die Personalfunktion Aufgaben an sie abgibt. Viele, fast alle Dinge rund um People & Culture sind Führungsaufgabe. Denn ich bin überzeugt davon, dass es die Führungskraft ist, die ein Talent entwickelt. Es ist die Führungskraft, die die Kultur in einem Team prägt. Es ist die Führungskraft, die es schafft, das Potenzial von Teams zu entfalten. Auf einem anderen Blatt steht aber, wie digitale Lösungen ausgestaltet sind. Wenn eine Führungskraft einmal im Jahr einen Prozess bedienen muss, der nicht intuitiv ist, dann kann ich verstehen, dass sie ungeduldig wird. Das muss man würdigen, wenn man aus der HR-Prozessperspektive draufschaut. Wenn ich mir die Lösungen anschaue, die es am Markt gibt, gibt es da noch Potenzial, es vielleicht auch KI-gestützt besser zu machen.
Frau Dr. Gieg, vielen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führten Ralf Steuer und Dr. Charlotte Schmitz.