DGFP auf den Punkt: „Wir brauchen unbürokratische Lösungen“

Was die neue Bundesregierung tun kann, um Brücken in Beschäftigung zu bauen

In unserem regelmäßig erscheinenden Format "DGFP auf den Punkt" beziehen Vorstandsmitglieder der DGFP Stellung zu aktuellen Themen des Personalmanagements. In unserer aktuellen Ausgabe spricht Dr. Ariane Reinhart, Mitglied des Vorstands Group Human Relations und Nachhaltigkeit bei Continental AG,  über die Notwendigkeit unbürokratischer Lösungen, um Beschäftigung in Zeiten des Strukturwandels zu sichern und neue Perspektiven für betroffene Arbeitnehmer zu schaffen.

Die deutsche Wirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Herausforderungen, die einzelne Arbeitgeber kaum allein lösen können. Deswegen haben wir bereits 2021 die Allianz der Chancen gegründet, in der inzwischen 80 Unternehmen und Institutionen mit deutschlandweit mehr als 2,8 Millionen Beschäftigten vertreten sind – auch die DGFP.

“Unser Ziel ist es, Verantwortung zu übernehmen und die Veränderungen der Arbeitswelt aktiv mitzugestalten, um möglichst vielen der vom Strukturwandel betroffenen Menschen neue berufliche Perspektiven zu bieten – branchenübergreifend und überregional.”

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Unser Ziel: Verantwortung übernehmen und die Veränderungen der Arbeitswelt aktiv mitgestalten, um möglichst vielen der vom Strukturwandel betroffenen Menschen neue berufliche Perspektiven zu bieten – branchenübergreifend und überregional. Dabei haben wir nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der deutschen Wirtschaft im Blick, sondern auch soziale Gerechtigkeit und nachhaltiges Wachstum. Es muss dringend ein Umdenken stattfinden weg von sozialverträglichen Ansätzen mit beispielsweise Vorruhestandsmodellen, die der Wirtschaft dringend benötigte Fachkräfte entziehen, hin zu sozial verantwortlichen und progressiven Wegen, die Beschäftigung erhalten.

Dafür braucht es aber an vielen Stellen die Unterstützung der Politik. Es sind häufig nicht mal neue Gesetze nötig. Oft reichen unbürokratische Lösungen, die statt in die Arbeitslosigkeit in die Beschäftigung führen. Nehmen wir unsere Initiative „von Arbeit in Arbeit“. Die Idee dahinter ist es, Brücken in neue Beschäftigung zu bauen und Menschen durch zielgerichtete Qualifizierung und Vermittlung berufliche Perspektiven zu ermöglichen.

“Es muss dringend ein Umdenken stattfinden – weg von sozialverträglichen Ansätzen (...) hin zu sozial verantwortlichen und progressiven Wegen, die Beschäftigung erhalten. Oft reichen dabei unbürokratische Lösungen, die statt in die Arbeitslosigkeit in die Beschäftigung führen.”

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Um derartige Prozesse zu vereinfachen, die Wechselbereitschaft der Beschäftigten zu fördern und sie auf ihrem Weg zu unterstützen, haben wir vier wesentliche Handlungsfelder identifiziert:

  1. Drehscheiben-Modelle fördern: Fachkräftemangel und Personalüberhänge prägen die deutsche Wirtschaft: Während Unternehmen A dringend Beschäftigte sucht, werden diese im Unternehmen B mitunter nicht mehr gebraucht. Unser Ansatz der Personal-Drehscheiben bringt beide Parteien zusammen und vermittelt von Kündigung bedrohte Arbeitskräfte unternehmensübergreifend – ein Mehrwert für alle Beteiligten. Die Allianz der Chancen hat gemeinsam mit den Sozialpartnern und der Bundesagentur für Arbeit bereits mehrere solcher Drehscheiben etabliert.
  2. Wechselbereitschaft belohnen: Finanzielle Anreize können die Hemmungen von Beschäftigten, ein neues Jobangebot anzunehmen, senken – vor allem, wenn dieses geringer vergütet ist als ihre bisherige Tätigkeit. In einem solchen Fall können Beschäftigte die auf die Abfindung gezahlte Lohnsteuer zurückerhalten. Die Struktur dafür ist mit der Fünftelregelung der Einkommensteuerveranlagung bereits vorhanden – sie muss nur früher nutzbar gemacht werden. Dies ließe sich ohne großen bürokratischen Aufwand umsetzen.
  3. Orientierungszeiten ermöglichen: Ein weiterer Anreiz zum Wechsel des Arbeitsplatzes wäre die Einführung von „Orientierungszeiten“ in Betrieben – eine ideale Gelegenheit für ein Reinschnuppern und Lernen. Orientierungszeit wäre nach aktueller Gesetzeslage eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung. Entsprechend müssen die gesetzlichen Regelungen angepasst werden.
  4. Kraftzentren etablieren: Als Reaktion auf einen immer volatileren Arbeitsmarkt haben Bund, Länder und andere Akteure bereits gute Initiativen zur Beschäftigungssicherung eingeführt. Um Kräfte und Kompetenzen zu bündeln, sollten im Schulterschluss von Unternehmen und Politik Kraftzentren gegründet werden, die eine Ebene zwischen den Unternehmen und den regionalen Arbeitsmarktakteuren und -initiativen darstellen und diese koordinieren. Beispiele dafür sind die die Transformationsinitiativen in Niedersachsen.

“Das wäre ein Win-Win-Win: Beschäftigung bleibt erhalten, Beschäftigte finden eine neue berufliche Heimat und der Staat spart Kosten für Arbeitslosigkeit.”

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Die Beispiele zeigen: Passgenaue Modelle für eine bessere Verzahnung und Vereinbarkeit von Arbeit, Qualifizierung und Vermittlung gibt es bereits. Was fehlt, sind die nötigen Spielräume und Handlungsmöglichkeiten, um diese im Sinne aller Beteiligten umzusetzen. Das wäre ein Win-Win-Win: Individuell, gesellschaftlich und makroökonomisch – denn Beschäftigung bleibt erhalten, Beschäftigte finden eine neue berufliche Heimat und der Staat spart Kosten für Arbeitslosigkeit, die ihn jährlich mehr als 60 Milliarden Euro kostet. Wenn die neue Bundesregierung an den richtigen Stellschrauben dreht, dürften es in Zukunft deutlich weniger werden.

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